Italienische Novellen, Band 1
Mädchen.
Nun geschah es, daß eines Tages, als die Dame zusammen mit dem Mädchen am Fenster stand, das Mädchen tief seufzte, worauf die Dame sie fragte: »Was hast du?«
»Gnädige Frau, ich habe nichts«, erwiderte sie.
»Ich will, daß du es mir sagst«, fuhr die Dame fort, »denn ohne Grund seufzt man nicht so stark.«
»Verzeiht mir, gnädige Frau,« entgegnete das Mädchen, »aber ich werde es Euch nie sagen.«
»Du wirst es doch tun«, sagte die Dame, »sonst bin ich mit dir böse.«
Das Mädchen antwortete: »Da Ihr durchaus wollt, daß ich es Euch sage, so werde ich es Euch sagen. Die Wahrheit ist, daß dieser Buondelmonte, der hier gegenüber wohnt, mich mehrmals gebeten hat, Euch einen Auftrag von ihm auszurichten, und ich habe es bis jetzt noch nicht gewagt, es zu tun.«
»Nun, was hat denn dieser verwünschte Kerl zu dir gesagt?« fragte die Frau.
»Er hat mir gesagt, ich sollte Euch mitteilen, daß es keinen Menschen auf der Welt gebe, den er lieber hätte als Euch, und daß es nichts gäbe, was er nicht für Euch tun würde, – so groß ist die Liebe, die er für Euch empfindet; und Ihr möchtet die Freundlichkeit haben, ihn als Euren vertrautesten Diener anzunehmen, da er auf der Welt keinen anderen Gebieter hat als Euch. Und er sagt, daß er es für die größte Gnade halten würde, wenn er etwas tun könnte, was Euch gefiele.«
Die Frau antwortete ihr: »Wenn er mit dir noch ein einziges Mal sprechen wird, wirst du ihm ins Gesicht schlagen; und komm mir nicht mehr mit solchen Geschichten: denn du weißt genau, daß er der Feind meines Mannes ist.«
Das Mädchen zögerte nicht lange, ging hinaus, winkte Buondelmonte und sagte zu ihm: »Kurz und bündig, sie will von Euch nichts wissen.«
Buondelmonte erwiderte: »Wundere dich darüber nicht: denn so machen es die Frauen zuerst immer. Aber sobald du Gelegenheit hast und du sie gut gelaunt findest, sagst du ihr dasselbe noch einmal und fügst hinzu, daß ich ganz verrückt nach ihr bin; und ich verspreche dir, du sollst einen besseren Rock tragen als den da.«
»Laßt mich nur tun«, war ihre Antwort.
Als eines Tages Frau Nicolosa sich anschickte, ein Fest zu besuchen, und das Mädchen ihr beim Ankleiden half, geschah es durch Zufall, daß sie sich wieder über dasselbe Thema unterhielten, und die Dame fragte sie: »Hat dieser verwünschte Kerl wieder zu dir über mich gesprochen?«
Sogleich fing das Mädchen zu weinen an und sagte: »Ich wünschte, ich wäre zu der Stunde und an dem Tage gestorben, wo ich in dies Haus gekommen bin!«
»Wie?« fragte die Dame.
»Weil Buondelmonte mich unaufhörlich belästigt. Nirgends kann ich hingehen, ohne daß er mich verfolgt und mich mit gekreuzten Armen bittet, Euch zu sagen, daß er sich verzehrt und aus Sehnsucht nach Euch vergeht, und daß er nur glücklich ist, wenn er Euch hört oder sieht oder von Euch sprechen hört. Und niemals sah ich größere Anhänglichkeit als die seine, so daß ich nicht weiß, was ich Euch sagen soll, außer daß ich Euch um Gottes Barmherzigkeit willen bitte, es möge Euch gefallen, mir dieses Ungemach und diese Qual vom Halse zu schaffen, oder daß Ihr mir die Erlaubnis gebt, wegzugehen, damit ich auf Nimmerwiedersehen verschwinden kann; oder ich werde mir das Leben nehmen, um von hier wegzukommen. Denn er versteht es, mich so herzlich und mit solcher Liebenswürdigkeit zu bitten, daß ich nicht weiß, wer ihm widerstehen könnte. Und ich möchte gern, daß es möglich wäre – unbeschadet Eurer Ehre –, daß Ihr ihn bloß ein einziges Mal anhörtet, damit Ihr selbst seht, ob ich die Wahrheit sage oder nicht.«
Die Frau entgegnete: »Ist er wirklich so wahnsinnig in mich verliebt, wie du sagst?«
»Hundertmal mehr, als ich sage«, antwortete das Mädchen.
»Das nächste Mal«, fuhr die Dame fort, »wenn er wieder mit dir spricht, sollst du ihm in meinem Namen sagen, er möchte mir ein Kleid von demselben Stoff schicken, den seine Schwester heute früh in der Kirche trug.«
Das Mädchen erwiderte: »Gnädige Frau, ich werde es ihm bestellen.«
Und sobald die Dame ausgegangen war, ging sie zu Buondelmonte und erzählte ihm, was ihre Herrin ihr gesagt hatte; »und du bist gescheit«, fügte sie hinzu, »und weißt, was du zu tun hast.«
Buondelmontes Antwort war: »Laß mich nur tun und geh mit Gott!«
Und sofort kaufte er ein sehr schönes Kleid aus dem Stoff, den sie gewünscht hatte, und als es ihm Zeit zu sein schien, winkte er dem Mädchen und
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