Italienische Novellen, Band 1
kam im Augenblick darauf und begann zu pochen und einen gewaltigen Lärm zu machen. Die Frau löschte schnell das Licht aus, schob den Bucciuolo hinter sich, schloß die Tür auf und umarmte ihren Gemahl, während sie mit dem andern Arm den Bucciuolo hinausschob, ohne daß ihr Mann es merkte. Dann fing sie an zu schreien: »Herbei, herbei, der Meister ist toll geworden!« Dabei hielt sie ihn fest umschlungen.
Die Nachbarn liefen auf den Lärm herbei, und da sie den Meister so bewaffnet sahen und die Frau rufen hörten: »Haltet ihn, denn er ist übergeschnappt vom vielen Studieren!«, glaubten sie es und waren der Überzeugung, daß er von Sinnen sei. Sie fingen daher an und sprachen: »Ei, Meister, was soll das bedeuten? Geht zu Bette, um auszuruhen, und strengt Euch nicht weiter an!«
Der Meister sagte: »Wie soll ich zur Ruhe kommen, wenn das schlechte Weib einen Mann im Hause hat, den ich selbst hereinschleichen sah?«
Da rief die Frau: »Ich unglückliches Weib! Fragt alle diese Nachbarn, ob sie mir den geringsten Fehltritt nachsagen können!«
Da antworteten Männer und Frauen aus einem Munde: »Meister, habt doch nicht solche Gedanken! Es ward ja nie eine bessere Frau geboren als diese, von reinem Sitten und unbefleckterm Ruf.« »Was?« rief der Meister. »Wenn ich nun selbst einen hereinschleichen sah und weiß, daß er hier ist ?«
Unterdessen kamen zwei Brüder der Frau. Da fing sie gleich an zu weinen und sprach: »Liebe Brüder, seht her, mein Mann da ist übergeschnappt und will mich ums Leben bringen, weil er behauptet, ich habe einen Mann im Hause. Ihr wißt doch wohl, daß ich nicht derart bin, daß man mir derlei vorwerfen kann.«
Die Brüder sprachen: »Wir wundern uns sehr, wie Ihr unsere Schwester hier ein schlechtes Weib nennen dürft. Was bringt Euch denn heute so plötzlich gegen sie auf, da sie doch schon so lange mit Euch zusammenlebt?«
Der Meister erwiderte: »Ich sage Euch, es ist einer hier im Hause, und ich habe ihn selbst gesehen.«
»Wohlan«, antworteten die Brüder, »laßt uns ihn suchen! Und finden wir ihn, so wollen wir so bei ihr aufräumen und sie dergestalt bestrafen, daß Ihr zufrieden sein sollt.«
Einer der beiden rief die Schwester beiseite und sprach: »Sage mir die Wahrheit, hast du einen im Hause?«
Die Frau erwiderte: »Weh mir, was sagst du? Der Heiland bewahre mich davor und gebe mir eher den Tod, ehe ich auch nur mit einem Härchen mich so etwas gelüsten lasse. Weh, soll ich jetzt begehen, was nie eine aus unserm Hause beging? Schämst du dich nicht, mich nur danach zu fragen?«
Den Bruder beruhigte dies sehr, und sie begannen nun zugleich mit dem Meister Haussuchung zu halten. Der Meister stürzte plötzlich auf jene Wäsche los und durchbohrte sie, als fechte er mit Bucciuolo, denn er glaubte, da sei er verborgen.
»Hab' ich's euch nicht gesagt«, rief die Frau, »daß der Meister übergeschnappt ist? Die Waschleinwand zu verderben, die ihm nichts zuleide getan hat!«
Da sahen die Brüder, daß der Meister von Sinnen sei; und nachdem sie alles genau durchsucht und nichts gefunden hatten, sagte der eine: »Er ist verrückt.«
Und der andere sprach: »Meister, in der Tat, lieber Meister, Ihr habt sehr unrecht, unsere Schwester als ein schlechtes Weib hinzustellen.«
Darüber geriet der Meister in die äußerste Wut, weil er wußte, was er gesehen hatte, und begann sich mit höchst leidenschaftlichen Worten gegen sie auszulassen, wobei er immer das bloße Schwert in der Hand hielt. Da nahmen die Brüder jeder einen derben Stock in die Hand und prügelten den Meister so reichlich durch, bis sie ihm die beiden Stöcke auf dem Rücken zerbrochen hatten. Dann knebelten sie ihn als einen Verrückten, der, wie sie sagten, vom allzuvielen Studieren übergeschnappt sei, und hielten ihn die ganze Nacht gebunden, während sie sich mit ihrer Schwester zur Ruhe begaben.
Am Morgen ließen sie einen Arzt rufen; der verordnete, ihm an der Feuerseite ein Bett zu machen, und befahl, man solle ihn mit niemand reden lassen, ihm auch auf nichts antworten und ihn so lange fasten lassen, bis er wieder bei Verstand wäre; was denn auch pünktlich vollzogen wurde. Das Gerücht verbreitete sich durch Bologna, der Meister sei ein Narr geworden; jedermann bedauerte ihn deshalb, und einer sagte zum andern: »Gewiß, ich habe es schon gestern bemerkt, denn er war nicht imstande, unsere Vorlesung zu halten.«
Ein anderer sagte: »Ich sah es ganz, wie er ein anderer Mensch
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