Italienische Novellen, Band 1
zu ihm: »Messere, es sind hier ein Paar Ordensbrüder in der Herberge, von denen der eine sehr krank ist, und da in dieser Gegend die Seuche gehaust hat, ist großer Mangel an Geistlichen. Darum bitte ich Euch, Ihr möget zu ihm kommen und nachsehen, wie es bei ihm steht.«
Der Priester antwortete: »Sehr gerne!«
Er zog sich eilends an und kam in das Zimmer, wo die beiden Brüder waren.
»Messere«, sagte der eine, »ich empfehle Euch diesen meinen Gefährten und Vater.«
Darum setzte sich der Priester an das Bett und fing an des kranken Bruders Beichte zu hören, ihn an sein Seelenheil zu mahnen und ihm dringend einzuschärfen, daß er sich mit unserm Herrn Gott aussöhne. Der gute Bruder wollte davon nichts hören, vielmehr starb er kurz darauf wie ein Verzweifelter. Der überlebende jüngere Bruder fing, als er den andern tot sah, laut zu wehklagen an. Der Priester tröstete ihn und bat ihn, sich zu beruhigen, da wir ja alle einmal sterben müssen. Nach kurzem Verweilen nahm er Abschied von dem Bruder, um in sein Zimmer zurückzukehren; aber der Bruder sprach zu ihm: »Messere, ich bitte Euch um Gottes willen, mich nicht zu verlassen und Mittel und Wege zu finden, wie wir diesen Toten bestatten. Erweist ihm doch alle Ehre, die Ihr könnt!«
Dann zog er einen Beutel von seiner Seite, worin sich etwa dreißig Gulden Geld befanden, und fuhr fort: »Da, nehmt dies zur Bestreitung der Auslagen und zahlt, was es kostet!«
Der Priester nahm den Beutel, ließ Diener und Knecht des Wirtes rufen, gab jedem ein Trinkgeld und schickte sie dann aus, um alles Erforderliche für die Beerdigung zu besorgen. Am Morgen war denn auch schon alles so ehrenvoll als möglich bereit, um den Bruder beizusetzen. Nachdem der Priester alles bezahlt hatte, kehrte er zu dem andern jüngern Bruder zurück, sprach ihm Trost zu und gab ihm den Beutel mit dem übrigen Gelde wieder. Unter Tränen fragte der Bruder den Priester, wohin er gehe. Der Priester antwortete: »Ich gehe nach Avignon.« Der Bruder sprach: »Da würde ich gerne mit Euch gehen.« »Ich bin gerne bereit«, versetzte der Priester, »Euch Gesellschaft zu leisten, denn für jeden von uns ist es besser, in Gesellschaft zu reisen, als allein.«
Nun schlug der Bruder wieder die Augen auf, und sein ganzes Gesicht erheiterte sich. Der Priester sah ihn fest an, und er meinte, nie schönere Augen als diese gesehen zu haben. Um euch aufzuklären, muß ich nämlich sagen, daß dieser Bruder ein Weib war und zwar eine Edelfrau aus Viterbo, wie ihr gleich hören werdet. Der Priester war indes der Ansicht, es sei ein Mann, und wunderte sich sehr über die schönen Augen und das feine Gesicht. Sobald sie übereingekommen waren, miteinander zu reisen, gab der Bruder dem Priester fünfzig Gulden mit den Worten: »Macht Ihr den Zahlmeister und befriedigt den Wirt nach seinem Begehren!«
Der Priester nahm das Geld und bezahlte den Wirt; darauf stiegen sie zu Pferd und schlugen die Straße nach Avignon ein. Um nicht erkannt zu werden, hatte sich der Bruder möglichst in sein Skapulier versteckt, drückte den Hut ins Gesicht, sprach wenig und ritt immer hintendrein. Der Priester meinte, er tue das aus Betrübnis und Schmerz über den Tod des andern Bruders, fing also an, Liedchen herzusagen und Spaße zu machen, um ihm die Grillen zu vertreiben; der Bruder aber blieb mäuschenstille und hängte nachdenklich den Kopf.
Am Abend kamen sie an eine Burg, welche Grassa heißt; dort stiegen sie ab in der Herberge einer Witwe, welche eine vor wenigen Tagen ebenfalls zur Witwe gewordene sehr schöne und anmutige Tochter hatte. Sobald sie abgestiegen waren, faßte die Wirtstochter den Bruder ins Auge und fand Gefallen an seinen feinen, schönen Zügen. Ja, sie verliebte sich wirklich in ihn und konnte nicht satt werden, ihn anzusehen.
Der Bruder sprach zu dem Priester: »Laßt Euch eine Schlafkammer geben mit zwei Betten!«
Es wurde sogleich besorgt.
Der Wirtin Töchterlein kochte am Abend selbst, erwies ihnen große Ehre, scherzte fortwährend mit dem Bruder und bot ihm am Abend mehrerlei Wein an. Der Priester merkte die Sache, tat aber, als sehe er nichts, und sprach bei sich selbst: Mich wundert's nicht, daß das Weibchen in ihn vernarrt ist, denn ich habe wohl lange Zeit kein so schönes Gesicht gesehen.
Als sie zu Nacht gegessen hatten, machte der Priester einen Ausgang, um die beiden nicht zu stören. Er dachte, der Bruder sei der Sohn irgendeines reichen Mannes, der nach Avignon gehe, um
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