Italienische Novellen, Band 1
einer Herberge ab, welche neben dem Palaste jenes Kardinals lag. Am Abend sprach der Bruder zu dem Priester: »Tut, als wäret Ihr mein Vetter und in meiner Gesellschaft gekommen! Dann laßt mich nur weiter machen!«
So geschah es. Der Bruder schickte in das Haus des Kardinals nach einem seiner Kammerdiener, welcher Rubinetto hieß. Als der Kammerdiener kam und den Bruder erkannte, erfreuten sie sich sehr aneinander. Der Kammerdiener eilte zum Kardinal mit der Nachricht: »Monsignore, die Petruccia ist da!«
Darüber war der Kardinal sehr erfreut und sagte: »Mach, daß sie hier ist, wenn ich von Hof komme, aber gewiß!«
Der Kammerdiener brachte ihr ihre Weiberkleider, und der Priester war ihr beim Anziehen derselben behilflich, die ihr denn auch ausnehmend gut standen; und war der Priester zuvor schon in sie verliebt im Mönchskleide, so war er es hundertmal mehr nun in ihrer Frauentracht. Unter vielen Tränen umarmten sie sich hundertmal an jenem Abend, und hernach, als es Zeit war, kam der Kammerdiener, sie in das Gemach des Kardinals abzuholen. Als dieser nach Hause kam, war seine erste Frage, ob die Petruccia da sei, und als er es bestätigen hörte, eilte er in das Zimmer und umarmte und küßte sie hundertmal. Dort sagte sie ihm die ganze Geschichte, wie ihr Bruder sie gewaltsam entführt, und fuhr dann fort: »Ich habe einen mir verwandten Priester zu meiner Sicherheit mitgebracht, der mich Euch zuliebe nicht verlassen wollte, so lästig es ihm auch war, mich hierher zu Euch zu geleiten.« Der Kardinal schickte am Morgen nach dem Priester, dankte ihm, ließ ihm alle seine Bittschriften genehmigen und erwies ihm jede Gnade, die jener nur wünschen konnte; er schenkte ihm auch eine Kleidung und erwies ihm die größte Ehre, solange er in Avignon blieb. Die Liebe der Petruccia zu dem Priester war so groß, daß sie bei dem Kardinal von Morgen bis zum Abend sein Lob sang; und der Kardinal wandte ihm solche Gunst zu, daß er einer der Vornehmsten an seinem Hofe wurde. Nachdem nun der Priester vom Hofe erhalten hatte, was er wollte, entschloß er sich, nach Hause zu kehren, was der Petruccia sehr hart däuchte; doch gab sie sich darein, als sie sah, wie sehr er es wünschte. Beim Abschied führte sie ihn zu einer Kiste, worin sich ein Becken voll Gulden befand, und sagte ihm, er solle daraus nehmen, soviel er wolle.
»Meine Petruccia«, antwortete er ihr, »es genügt mir, daß ich deine Gunst mitnehme: weiter begehre ich nichts und mag auch von deinem Gelde dir nichts entziehen.«
Als so die Petruccia die glühende Liebe des Priesters sah, zog sie einen sehr schönen Ring vom Finger und gab ihm denselben mit den Worten: »Nehmt und tragt dies zur Erinnerung an meine Liebe, und gebt es keiner, die nicht schöner ist als ich!«
Der Priester antwortete: »Das ist so viel als: Behalt ihn immer! Denn nach meinem Dafürhalten ist nie eine Schönere und Lieblichere als du geboren.«
Da fiel ihm die Frau unter vielen Tränen um den Hals, und sie schlang die Arme um ihn; sie küßten sich auf den Mund, faßten sich bei der Hand und verabschiedeten sich voneinander. Dann nahm er auch Abschied von dem Kardinal und kehrte in Gottes Namen heim.
Wie ein Hahnrei durch Schläge getröstet wird
In Florenz lebte einst eine sehr schöne Frau, welche Madonna Isabella hieß und an einen sehr reichen Kaufmann namens Lapo verheiratet war. Sie war die gefeiertste Frau in ganz Florenz, denn es war auch dazumal in der Stadt keine schönere zu finden. Ja ihr Ruf verbreitete sich durch ganz Toskana, so schön, anmutig und wohlgesittet war sie in jedem Stücke. Als nun ein reicher junger Mann von Perugia namens Ceccolo von Cola Raspanti von ihrer Schönheit hörte und vernahm, daß oft ihr zuliebe Turniere veranstaltet werden, bekam er Lust, sie zu sehen und auch um sie zu tjostieren. Er kaufte also Pferde und Turniergeräte, kleidete sich anständig und gut, nahm hinreichend Geld zu sich und ging nach Florenz, wo er im Umgang mit den jungen Männern viel Aufwand machte. Kurz, er wollte sie sehen, und sobald er sie sah, war er plötzlich in sie verliebt und sprach bei sich selbst: Sie ist wahrhaftig noch weit schöner, als ich glaubte.
Von nun an tat er sich um sie um, ging häufig vorüber, machte Musik und Gesang und stellte Essen und Gastmähler an, alles ihr zu Ehren. Er ging auf Feste und Hochzeiten und wohin immer die Frau kam, tjostierte, zeigte sich in den Waffen und zu Pferde, kleidete eine Dienerschaft und schenkte
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