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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
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eine Pfründe zu erlangen; denn es schien ihm, er habe viel Geld. Als es Schlafenszeit war, kam der Priester wieder heim und sagte: »Messere, wollen wir zur Ruhe gehen?«
    »Ja«, antwortete der Bruder, »wenn es Euch recht ist.« Kaum waren sie in ihrer Schlafkammer, so schickte die Wirtstochter dem Bruder durch einen Burschen eine Schachtel mit Zuckerwerk und einen sehr feinen Wein. Da sagte der Priester lächelnd: »Ihr habt gewiß heute früh Sankt Julians Paternoster gebetet, denn wir könnten keine bessere Herberge, keine schönere und gefälligere Wirtin finden.«
    So fing er an mit dem Bruder zu scherzen. Der Bruder lachte darüber, sie sprachen einander zu und tranken von dem Weine.
    »Gewiß«, sagte der Priester, »ich will nie dieses Weges gehen, ohne in dieser Herberge einzusprechen; freilich sollte ich dann auch immer Euch bei mir haben; denn diese Ehre gilt Euch, nicht mir.«
    Der Bruder sagte lachend: »Fürwahr, das junge Weib ist recht hübsch.«
    Der Priester antwortete: »Wenn wir sie nur heute nacht zwischen uns beiden liegen hätten!«
    »Weh«, versetzte der Bruder, »was sagt Ihr?« Der Priester aber sagte: »Es kommt auf den Versuch an.«
    Die Tochter der Wirtin hatte sich versteckt, um zu erfahren, welches Bett der Bruder wähle, und hörte und sah somit zum Teil ihre Unterhaltung mit an. Die Sittsamkeit des Bruders nahm sie noch mehr für ihn ein, und sie konnte kaum erwarten, bis er zu Bette ging. Der Bruder aber wußte davon nichts, und nachdem sie noch lange gesprochen hatten, legte sich der Priester in eines der Betten und der Bruder in das andere. Als nun die Frau sah und hörte, daß beide eingeschlafen waren, zündete sie ein Licht an, trat ganz leise an das Bett und fing an sich auszukleiden, um sich ihm an die Seite zu legen. Der Bruder hörte es, sah plötzlich auf und erkannte den Besuch. Er löschte daher alsbald das Licht, faßte nach den Kleidern, um nicht entdeckt zu werden, und legte sich neben den Priester außen an sein Bette. Die Wirtstochter schämte sich und schlich leise von dannen. Der Priester merkte nichts von allem und hörte nichts. Nach dem ersten Schlafe aber wollte er sich umdrehen und kam so an den Arm des Mädchens. Er wunderte sich sehr darüber, griff nach ihrer Brust und erkannte daran, daß es ein Weib war. Er meinte, es sei die Wirtstochter, und sagte bei sich selbst: Diese meint wahrscheinlich, sie liege bei dem Bruder, und hat sich in mein Bett verirrt. Nun wahrhaftig, ich will dir schon geben, was du suchst. Alsbald drehte er sich nach ihr um und gab ihr zwei brave Küsse. Der Herr Bruder rührte sich nicht und ließ sich's gefallen. Daher schlief der Priester, auf seiner bisherigen Meinung verharrend, wieder ein; als aber der Morgen kam, wachte der Priester auf und rief nach ihr und sprach: »Wehe, steh auf, es ist bald Tag: daß deine Mutter es nicht merkt!«
    Der Bruder ersah aus diesen Worten, wie es stehe, und daß der Priester sie noch nicht kenne. Sie saß daher im Bette auf, fing an laut aufzulachen, kleidete sich dann allmählich an, zog das Skapulier über sich und machte das Haar zurecht. Der Priester sah zu und bemerkte, daß es der Bruder sei. Da bekreuzte und segnete er sich, ja er kam fast von Sinnen, als er sie ihren Kopfputz machen sah, denn sie war anzuschauen wie die Sonne, so blond waren ihre Locken. Nun kleideten sie sich an, ließen ihre Pferde satteln, riefen sodann die Wirtin und machten die Zeche, worauf der Priester ihre Schuldigkeit bezahlte.
    Die Tochter des Wirtes sagte zu dem Priester: »Messere, Euer Begleiter da ist doch gar zu widerspenstig und wild.«
    »Madonna«, antwortete der Priester, »Ihr kennt ihn nicht; vielmehr habe ich nie einen zahmeren und freundlicheren Begleiter gehabt; aber er versteht sich noch nicht recht aufs Durchkommen.«
    Die junge Frau sagte: »Das scheint so.«
    Und so nahmen sie Abschied und gingen ihres Weges. Der Bruder ritt immer voraus, und sooft er sich umdrehte, sah er den Priester zurück. Dieser dachte unaufhörlich über das gehabte Abenteuer nach, das ihm ganz seltsam vorkam. Der Bruder erwartete ihn daher und sprach: »Gestern, Messere, war das Nachdenklichsein an mir; heute scheint die Reihe an Euch gekommen zu sein. Ich mag aber nicht, daß Ihr noch weiter Euch den Kopf zerbrecht, und um Euch aus dem Zweifel zu ziehen, will ich Euch erzählen, wer ich bin und wohin ich gehe. In Wahrheit bin ich ein Weib, wie Ihr wißt, heiße Petruccia und bin die Tochter Vannicellos von Viterbo.

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