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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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und sagten ihm, wie die Sache stehe.
    »Haltet es ganz im stillen«, sagte der Doge, »dann können wir den Dieb über der Tat ertappen.«
    Dann ließ er einen Kessel mit Pech in der Kammer unter dem Loche aufstellen und darunter Tag und Nacht ein Feuer unterhalten, so daß das Pech beständig kochte. Als nun das aus dem Becher erlöste Geld zu Ende war, gingen der Meister und der Sohn eines Nachts wieder an die Öffnung und nahmen den Stein heraus, und der Meister stieg hinein und fiel in den immer siedenden Pechkessel. Als er nun bis zum Gürtel im Kessel stand und nicht mehr loskommen konnte, hielt er seinen Tod für gewiß. Er faßte daher schnell seinen Entschluß, rief seinen Sohn und sprach: »Mein Sohn, ich bin des Todes; darum schneide mir den Kopf ab, damit der Betrug nicht entdeckt werde, und nimm den Kopf mit dir und verscharre ihn an einem Orte, wo er nicht gefunden wird! Tröste deine Mutter und suche auf eine vorsichtige Weise davonzukommen! Und wenn dich jemand nach mir fragt, so sage, ich sei nach Florenz gegangen in Geschäften.«
    Der Sohn fing an zu weinen und jämmerlich zu klagen, schlug die Hände zusammen und rief: »Wehe, mein Vater!«
    Der Vater aber sagte: »Mein Sohn, es ist besser, es stirbt einer, als zwei, und darum tu, was ich dir sage, und eile!«
    Da schnitt der Sohn dem Vater den Kopf ab und trug ihn hinweg; der Rumpf aber blieb im Kessel und kochte in dem Peche dermaßen, daß er ganz einschrumpfte und wie ein Baumstumpf wurde. Der Sohn kehrte nach Hause zurück und beerdigte den Kopf des Vaters, so gut er wußte und konnte, und dann sagte er es der Mutter. Als sie nun eine große Wehklage erheben wollte, schlug der Sohn die Arme übereinander und sagte: »Wenn Ihr Lärm macht, sind wir in Gefahr, ums Leben zu kommen; darum, liebe Mutter, seid besonnen!«
    Damit brachte er sie zur Ruhe.
    Am folgenden Morgen wurde der Leichnam gefunden und zum Dogen gebracht, der sich über die Sache außerordentlich verwunderte; und da er sich nicht denken konnte, wer es sei, sprach er: »Weil hier offenbar zwei im Spiele sind, wollen wir, nachdem wir den einen gepackt haben, nun auch den andern packen.«
    Einer der vier Verwalter sprach: »Ich habe die Art und Weise gefunden, nämlich folgende: Es ist nicht möglich, daß er nicht Weib oder Kinder oder sonstige Verwandte im Lande habe; lassen wir nun den Körper durch die ganze Stadt schleppen und schicken Wachen mit, daß sie beobachten, ob jemand weint oder jammert: und wenn es sich findet, soll man diesen verhaften und verhören. Auf diese Weise werden wir wohl den Mitschuldigen finden.«
    So wurde es beschlossen, und sie ließen den Körper in der ganzen Stadt umherschleifen und Wachen hinterdrein. Als sie nun an sein Haus kamen, trat die Frau ans Fenster, und als sie den Leichnam ihres Gatten so mißhandeln sah, stieß sie einen heftigen Schrei aus. Da sagte der Sohn: »Wehe, meine Mutter, was macht Ihr?«
    Er war aber schnell besonnen, ergriff ein Messer, schnitt sich in die Hand und brachte sich eine große Wunde bei. Sowie die Wachen das Geschrei vernahmen, das die Frau aufschlug, liefen sie in das Haus und fragten die Frau, was sie habe.
    Der Sohn antwortete: »Ich habe mit diesem Messer geschnitten und mich in der Hand verletzt. Deswegen hat meine Mutter einen Schrei ausgestoßen, in Besorgnis, ich hätte mir mehr wehe getan, als in der Tat der Fall ist.« Als die Wachen die Hand bluten sahen und die Wunde und was sich begeben hatte, glaubten sie es ihm und zogen im ganzen Bezirk umher, ohne jemand zu finden, der sich auch nur erzürnt gezeigt hätte. Sie kehrten also unverrichteter Dinge zum Dogen zurück und faßten nun den Entschluß, den Leichnam auf dem Markte aufzuhängen und gleichfalls im verborgenen Wachen dazuzustellen, um Tag und Nacht zuzusehen, ob jemand komme, um den Toten zu bejammern oder zu beweinen.
    Es verbreitete sich das Gerücht in der Stadt, der Leichnam sei auf dem Platze aufgehängt, und viel Volks ging hin, danach zu sehen. Als nun die Frau sagen hörte, daß ihr Mann auf dem Platze aufgehängt sei, sagte sie oftmals zu ihrem Sohne, es sei dies für sie die größte Schmach, seinen Vater auf diese Weise aufgehängt zu sehen. Der Sohn antwortete: »Liebe Mutter, seid um Gottes willen ruhig! Das, was sie mit dem Leichname tun, geschieht einzig und allein, um mich zu erwischen. Habt nur eine Weile Geduld! Dieses Mißgeschick wird auch vorübergehen.«
    Die Mutter aber konnte es nicht aushalten und sagte mehrmals:

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