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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
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soll.«
    »Wer schickt dich denn?« sagte einer von jenen.
    »Seine Frau«, versetzte Ricciardo; »sie gab mir die Sachen da, um sie ihm zu überbringen, daß er zu Nacht speise. Aber tut mir doch den Gefallen und hebt mir die Sachen auf, bis ich nach Hause gehe und besser erfahre, wo er ist. Ihr dürft euch nicht wundern, daß ich es nicht weiß; ich bin erst seit kurzem hier.«
    Da ließ er ihnen die Torte, das Brot und den Wein und tat, als ob er wegginge, mit den Worten: »Ich komme gleich wieder.«
    Sie nahmen diese Sachen, und einer von ihnen sagte: »Schau doch, Glück ist freilich diesen Abend bei uns eingekehrt.«
    So setzte er die Flasche an den Mund und trank, reichte sie seinem Kameraden und sprach: »Zieh! Du hast noch nie bessern getrunken.«
    Der Kamerad trank, und während sie über den Vorfall plauderten, schliefen sie ein.
    Ricciardo, der an einer Ritze der Tür lauschte, trat, sobald er sie schlafen sah, herein, nahm das Kalb, trug es ganz nach Hause und sagte zu seiner Mutter: »Nun schneidet Euch herunter, soviel Euch gelüstet!«
    Nun zerlegte er das Kalb, und die Mutter kochte davon eine große Schüssel voll.
    Sobald der Doge erfuhr, daß das Kalb gestohlen sei, und auf welche Art man sich bei dem Diebstahl benommen habe, wunderte er sich sehr und nahm sich fest vor, herauszubringen, wer es sei. Er ließ daher hundert arme Leute kommen, schrieb alle namentlich auf und sprach dann zu ihnen: »Geht in alle Häuser Venedigs und tut, als fordertet ihr Almosen, gebt aber acht, ob ihr in keinem Hause Fleisch kochen oder eine große Pfanne am Feuer sehet, und seid so zudringlich, daß ihr nicht nachlasset, bis man euch Fleisch oder Brühe gebe! Wer von euch mir welches bringt, dem lasse ich zwanzig Gulden ausbezahlen.«
    Als nun die hundert Taugenichtse sich in der Stadt umher zerstreuten, um Almosen zu fordern, verfiel wirklich auch einer von ihnen auf das Haus dieses Ricciardos, und als er hinaufkam, sah er deutlich das Fleisch, das jene kochten, und erbat sich um Gottes willen ein Stückchen davon. Die Frau, welche ihre Fülle betrachtete, war unvorsichtig genug, ein Schnitzelchen abzugeben. Der Bettler dankte ihr und sprach: »Ich will Gott für Euch bitten.«
    So eilte er die Treppe hinunter. Ricciardo aber begegnete dem Armen auf der Treppe, und als er sah, daß er von dem Fleische in der Hand hielt, sprach er zu ihm: »Komm wieder mit herauf, ich will dir mehr geben.«
    Der Bettler stieg mit ihm hinauf, Ricciardo aber führte ihn in eine Kammer, schlug ihn mit einem Beil auf den Kopf, und als er ihn getötet hatte, warf er ihn in den Abtritt und schloß das Haus.
    Am Abend kamen alle die Bettler zu dem Dogen zurück, wie sie versprochen hatten, und jeder von ihnen sagte, er habe nichts finden können. Der Doge ließ sie zählen und sich namentlich ausweisen; da fand er, daß einer fehle, wunderte sich, merkte aber gleich, woran er war, und sagte: »Der ist gewiß umgebracht worden.«
    Er versammelte den Rat und sprach: »Ich muß fürwahr wissen, wer das ist.«
    Da sprach einer der Räte: »Gnädiger Herr, Ihr habt es versucht mit dem Laster der Gefräßigkeit: versucht es auch mit dem Laster der Wollust!«
    Der Doge sprach: »Wer mehr weiß, tue auch mehr!«
    Es wurden also fünfundzwanzig Jünglinge der Stadt aufgeboten, die boshaftesten und listigsten, und die, welche der Doge am meisten im Verdacht hatte, und einer darunter war dieser Ricciardo. Als sie nun im Palaste behalten wurden, wunderten sie sich, und einer sagte zum andern: »Warum behält uns denn der Doge hier?«
    Sofort ließ der Herzog in einem Saale fünfundzwanzig Betten aufschlagen, wo dann jeder dieser Jünglinge eines für sich hatte. Mitten im Saale aber ließ er ein prächtiges Bett errichten, wo seine Tochter schlief, die das schönste Geschöpf von der Welt war. Und jeden Abend, sobald die Männer schlafen gegangen waren, kamen ihre Kammerfrauen und brachten diese Tochter des Dogen zu Bett. Der Vater aber hatte ihr eine Schale mit schwarzer Tinte gegeben und gesagt: »Wer zu dir ans Bett kommt, dem bestreiche das Gesicht, damit man ihn kennt!«
    Darüber wunderte sich ein jeder, und keiner wagte zu ihr zu gehen, denn er dachte: das ist fürwahr eine ernsthafte Geschichte.
    Ricciardo aber gedachte bei sich, einmal eine Nacht mit ihr zuzubringen, und als Mitternacht vorüber war und er sein Gelüste nicht mehr bändigen konnte, stand er ganz leise auf, ging an das Bett, in welchem sie lag, legte sich ihr zur Seite und

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