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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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»Wäre ich ein Mann, wie ich ein Weib bin, so müßte ich ihn nicht jetzt erst abnehmen; und wenn du ihn nicht wegnimmst, so gehe ich einmal bei Nacht selbst hin.«
    Als der Jüngling den festen Entschluß seiner Mutter sah, besann er sich, wie er den Leichnam losmachen könne. Er kaufte also zwölf schwarze Mönchskutten, ging eines Abends in den Hafen, nahm zwölf Lastträger mit und führte sie durch eine Hintertür seines Hauses in eine kleine Stube, wo er ihnen zu essen und zu trinken gab, soviel sie Lust hatten. Und als er sie in gehörige Weinlaune versetzt hatte, zog er ihnen die Mäntel an mit Larven vor dem Gesicht und gab jedem eine brennende Fackel in die Hand, wodurch sie ein Aussehen bekamen wie Teufel aus der Hölle, so sehr waren sie durch diese Masken entstellt. Er selbst stieg auf ein Pferd, ganz in Schwarz gehüllt, und die Pferdedecke war voll Haken, und an jedem Haken war eine brennende Kerze befestigt; vor das Gesicht hatte er eine abenteuerliche Maske befestigt; so stellte er sich an ihre Spitze und sagte zu ihnen: »Tut, was ihr mich werdet tun sehen!«
    So begaben sie sich nach dem Platze, auf welchem der Leichnam aufgehängt war, und rannten auf dem Platze hin und her; es war Mitternacht vorüber und die tiefste Finsternis. Als nun die Wachen diese seltsame Erscheinung sahen, fürchteten sie sich und meinten, es seien böse Gespenster aus der Hölle und der auf dem Pferde mit der greulichen Gestalt sei der alte Luzifer selber. Als sie ihn daher auf den Galgen zukommen sahen, liefen sie in großer Angst davon. Er nahm den Leichnam, legte ihn über den Sattelbogen und jagte der Gesellschaft voraus seinem Hause zu. Dort gab er ihnen Geld, zog ihnen die Kutten aus und schickte sie weg, verscharrte auch den Leichnam, so heimlich er konnte.
    Am Morgen wurde dem Dogen berichtet, der Leichnam sei abgenommen. Der Doge sandte nach den Wachen und wollte wissen, wo der Leichnam hingekommen sei.
    »Gnädiger Herr«, sagten die Wächter, »wir versichern Euch, heute nacht, es war Mitternacht vorüber, da kam eine große Schar von Teufeln, und unter ihnen sahen wir deutlich den alten Luzifer, der wahrscheinlich diesen Leichnam gefressen hat. Wir sind deshalb geflohen, als wir eine solche Heeresmacht dem Körper zuliebe ankommen sahen.«
    Der Doge sah klar, daß hier eine Bosheit dahinterstecke, und wurde nur um so begieriger, zu erfahren und zu erkunden, wer es sei. Er hielt daher einen geheimen Rat, worin beschlossen wurde, es dürfe zwanzig Tage in Venedig kein frisches Fleisch verkauft werden. Es geschah, und jedermann wunderte sich über diese Bestimmung. Dann ließ er ein sehr schönes Milchkalb schlachten und zum Verkauf ausbieten zu einem Gulden das Pfund und sagte zu dem Verkäufer, er solle achthaben auf alle, die davon nehmen; denn er dachte bei sich so: »Gemeiniglich sind die Diebe gelüstig; so wird sich denn auch dieser nicht enthalten können, davon zu holen, und die Ausgabe von einem Gulden für das Pfund nicht anschlagen.«
    Er ließ also bekanntmachen, wer Fleisch wolle, solle auf den großen Platz kommen. Alle Kaufleute und Edelleute kamen um des Milchkalbs willen; da man aber hörte, daß er einen Gulden für das Pfund begehre, nahm niemand davon. Die Sage verbreitete sich durch die Stadt und kam auch der Mutter des Jünglings, der Ricciardo hieß, zu Ohren. Da sprach sie zu ihrem Sohne: »Es gelüstet mich nach einem Stückchen von diesem Kalbfleisch.«
    Ricciardo antwortete: »Liebe Mutter, eilt nicht so, laßt erst andere den Anfang machen! Dann will ich Euren Wunsch erfüllen und Euch davon verschaffen. Aber ich möchte nicht der erste sein, der davon nimmt.«
    Die Mutter indes, die eine unbesonnene Frau war, beunruhigte ihn fortwährend mit ihren Wünschen, und aus Besorgnis, sie möchte am Ende einen andern hinschicken und kaufen lassen, bestellte der Sohn eine Torte und verschaffte sich eine Flasche mit Opium gemischten Wein, um einzuschläfern; nun nahm er einige Brote, die Torte und den Wein, und als es Nacht war, machte er sich einen Bart und eine Kapuze und ging an den Ort, wo das Kalbfleisch verkauft wurde. Noch war das Kalb ganz unangegriffen, und als er gepocht hatte, sagte einer der Wächter: »Wer bist du?«
    Ricciardo entgegnete: »Könnt Ihr mir wohl sagen, wo ein gewisser Glück wohnt?«
    Einer von ihnen fragte weiter: »Was für ein Glück?« Ricciardo antwortete: »Seinen Geschlechtsnamen weiß ich nicht; Gott verdamm mich, daß ich mit ihm zu tun haben

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