Italienische Novellen, Band 1
wunderbar und schön war es. Eines Tages kam auch die Königstochter, sah den Adler und ließ ihrem Vater sagen, sie wünsche ihn als Zierat zu haben. Der Vater ließ bei dem Meister wegen des Kaufes anfragen; Arrighetto war indes bereits angekommen, und der Meister besprach sich mit ihm, der sich im verborgenen im Hause des Goldschmieds aufhielt. Arrighetto sprach zu dem Meister: »Gib zur Antwort, du mögest ihn nicht verkaufen; allein wenn er ihr gefalle, wollest du ihr gern damit ein Geschenk machen.«
Der Goldschmied ging zum König und sprach: »Mein Gebieter, ich möchte den Adler nicht verkaufen; aber wenn er Euch gefällt, so nehmt ihn: ich mache Euch gerne damit ein Geschenk.«
Der König sprach: »Laßt ihn heraufbringen, wir werden dann bald miteinander eins werden.«
Der Meister antwortete: »Es soll geschehen.«
Dann ging er zu Arrighetto zurück und sprach zu ihm: »Der König will ihn sehen.«
Da kroch Arrighetto sogleich in den Vogel und nahm einige feine Speisen mit, die der Natur aufhelfen konnten, und machte den Vogel innen so zurecht, daß man ihn nach Bequemlichkeit öffnen und schließen konnte. Dann ließ er ihn vor den König bringen. Als dieser das schöne Stück sah, übergab er es seiner Tochter, und der Meister stellte es ihr in ihrer Kammer neben dem Bette des Fräuleins auf. Als er es zurechtgemacht hatte, sagte er zu ihr: »Madonna, deckt das Stück mit nichts zu! Es ist ein Gold: wenn man es zudeckt, wird es schwarz und verliert seinen Glanz.«
Ferner sagte er zu ihr: »Madonna, ich werde oft hierher kommen, um danach zu sehen.«
Das Fräulein entgegnete offen, es sei ihr ganz lieb.
So ging der Goldschmied zum Könige zurück und sagte, der Vogel gefalle dem Fräulein sehr. »Und«, setzte er hinzu, »ich will machen, daß er ihr noch mehr gefällt; denn ich arbeite an einer Krone, die der Vogel auf dem Kopfe tragen muß.«
Dem König machte dies große Freude; er ließ viel Geld herbringen und sprach: »Meister, bezahle dich selbst nach deinem Gutdünken!«
»Gnädiger Herr«, versetzte der Meister, »ich bin schon bezahlt, da ich Eure Huld besitze.«
Und soviel auch der König redete, konnte er ihm doch kein Geld aufdrängen, sondern er sagte: »Ich bin schon bezahlt.«
Als nun bei Nacht die besagte Lena im Bette lag und schlief, schlüpfte der besagte Arrighetto aus dem Vogel, schlich leise an das Bett, worin die lag, die er mehr als sich selber liebte, und küßte ihr sanft ihre weiß und rote Wange. Das Mädchen kam zu sich, hatte die größte Angst und fing an zu beten: » Salve regina misericordiae !«
Und zitternd rief sie einer Kammerfrau, während Arrighetto eilig in den Vogel zurückkehrte. Die Kammerfrau stand auf und sagte: »Was wollt Ihr?«
»Ich habe einen gespürt«, antwortete sie, »hart neben mir, der mir das Gesicht berührte.«
Die Kammerfrau durchsuchte das ganze Zimmer und sah und hörte nichts; und da sie nichts fand, kehrte sie in das Bett zurück und sprach: »Sie hat sicher geträumt.« Nach einer Weile kam Arrighetto wieder ganz sachte an das Bett, küßte sie sehr zärtlich und sprach leise: »Liebe Seele, erschrick nicht!«
Das Fräulein erwachte und stieß einen heftigen Schrei aus.
»Was hast du?« sagten die Kammerfrauen, welche alle aufstanden; »es ist nichts als ein Traum«.
Arrighetto war wiederum in den Vogel zurückgegangen; sie untersuchten Tür und Fenster, fanden sie aber verschlossen, und da sie nichts sahen, fingen sie an, sie laut auszuschelten, und sprachen: »Wenn du dich wieder rührst, so sagen wir es deiner Hofmeisterin. Was sind doch das für Torheiten, daß du uns nicht willst schlafen lassen! Das ist eine schöne Sitte, in der Nacht zu schreien. Sei so gut und verhalte dich jetzt ruhig! Mache, daß du schläfst, und laß uns auch schlafen!«
Da fürchtete sich das Mägdlein, und nach einer Weile, als es Arrighetto Zeit schien, kam er wieder aus seinem Vogel hervor, trat leise an das Bett und sagte: »Meine Lena, schreie nicht und fürchte dich nicht!«
Sie fragte: »Wer bist du?«
Arrighetto sprach: »Ich bin der Sohn des Kaisers.«
Sie entgegnete: »Wie bist du aber hereingekommen?«
Arrighetto antwortete: »Verehrungswürdige Dame, das will ich dir sagen. Es ist schon lange Zeit, daß ich mich in dich verliebte, da ich deine Schönheit rühmen hörte, und oft und viel bin ich hergekommen, um dich zu sehen, aber ich fand kein Mittel; da ließ ich den Adler machen, und in diesem bin ich hergekommen, bloß um
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