Italienische Novellen, Band 1
mit dir reden zu können. Und darum bitte ich dich, daß es dir gefallen möge, Erbarmen mit mir zu haben, dieweil ich kein anderes Gut als dich auf dieser Welt besitze; und siehe, ich habe mein Leben gewagt um deinetwillen.«
Als das Mägdlein die holden Worte hörte, die Arrighetto zu ihr sagte, wandte sie sich zu ihm, umarmte ihn und sprach: »In Anbetracht der Gefahr, in die du dich um meinetwillen begeben hast, wäre es eine große Schändlichkeit von mir, wenn ich es dir nicht vergälte. Darum bin ich einverstanden, daß du mit mir tuest nach deinem Willen; zuvor aber möchte ich doch wissen, wie du aussiehst. Darum kehre an deinen Platz zurück und fürchte dich nicht; denn morgen will ich tun, als wünschte ich zu schlafen, und die Kammertür schließen. Dann bleibe ich allein, und wir können einander sehen und ausführlicher miteinander reden.«
Arrighetto antwortete und sprach: »Madonna, und wenn ich jetzt sterben sollte, so bin ich doch froh, daß du mich zu deinem Diener angenommen hast. Doch möge es dir gefallen, mich zum Zeichen davon ein einzigmal zu küssen.«
Das Fräulein küßte ihn anmutig, denn sie fühlte schon im Herzen die Flammen der brennenden Liebe. Darauf kehrte Arrighetto in den Vogel zurück.
Am folgenden Tage sagte das Fräulein, sie wolle schlafen; denn sie konnte den Augenblick kaum erwarten, wo sie Arrighetto sähe. Dann schickte sie die Kammerfrauen hinaus, schloß das Gemach und trat zu dem Vogel, aus welchem alsbald Arrighetto hervorkam und sich vor ihr neigte bis auf den Boden. Als sie in ihm einen so lustigen und schönen Mann erkannte, fiel sie ihm plötzlich um den Hals, und er nahm sie fest in seine Arme.
»Ich bin«, sprach er, »der glücklichste Mensch auf der Welt, denn nun wird mir die Freude zuteil, die ich so lange Zeit sehnlich gewünscht habe.«
Sodann erzählte er ihr sein ganzes Geschlecht und wer er war, nebst so süßen und holden Worten, daß sie duftigen Veilchen glichen, vermischt mit würzigen Küssen. Ich kann die Liebe nicht aussprechen, die sie einander schenkten; und auf diese Weise blieben sie mehrere Tage und Nächte beisammen. Das Fräulein versorgte ihn unterdessen fortwährend reichlich mit himmlischen Speisen und Weinen. Auch kam der Goldschmied häufig, um nach dem Vogel zu schauen, und fragte zugleich Arrighetto, ob er nichts wolle; er antwortete aber jedesmal: »Nein.«
Nun sprach Arrighetto einst zu der Dame: »Ich wünsche, daß wir zusammen nach Deutschland gehen in unser Haus.«
»Lieber Arrighetto«, antwortete die Frau, »ich bin zufrieden mit dem, was dir gefällt.«
Arrighetto sprach: »Ich will weggehen und mit einem Schiffe wieder zum Schiffe des Königs kommen, das an der Küste steht, und will mich in einer bestimmten Nacht daselbst einfinden. Dann magst du zu deinem Vater sagen, du wollest spazierengehen, um die Küste zu sehen; dann erwartest du mich in dem Schlosse; ich komme in der Nacht dahin, hole dich auf das Schiff, und wir reisen hinweg.«
Die Frau sprach: »So sei es!«
Darauf schickte sie zu dem Goldschmied und sprach: »Trag diesen Vogel hinweg und mache mir die Krone darauf, so daß ich sie bei meiner Rückkunft fertig finde!« Der Meister sprach: »Wenn der Herr es will, bin ich einverstanden.«
Die Frau sprach: »Tue, was ich dir sage!«
Und der Meister ließ den Vogel in die Bude bringen. Als es aber Zeit war, ging Arrighetto heraus, nahm Abschied von dem Meister und ging heimlich hinweg in sein Land. Dort gab er Befehl, ein schönes Schiff auszurüsten mit einigen Galeeren, die zur Verteidigung des besagten Schiffes bewaffnet waren, machte sich auf und kam an die Burg des Königs von Aragon, wie verabredet worden war.
Inzwischen sagte das Fräulein zu ihrem Vater: »Mein Gebieter, ich wünschte in den Hafen zu gehen, um die Küste zu sehen und einige Tage in Eurer Burg zu verweilen.«
Der Vater war es zufrieden und ließ ihr zur Gesellschaft viele Frauen und Fräulein beigeben, damit sie dort mit ihr spazierengingen. Das Fräulein begab sich mit ihrem Gefolge auf die Burg und erwartete mit großer Freude Arrighetto, Gott bittend, er möge bald kommen, und schaute den ganzen Tag auf das Meer hinaus, ob sie ihn nicht sehe. In einer Nacht aber, zur bezeichneten Stunde, kam Arrighetto unter der Burg an. Die Frau stieg alsbald hinunter zu ihm und umarmte ihn, und ohne Verzug traten sie in das Schiff, spannten die Segel auf und fuhren mit Gottes Hilfe von dannen, und Arrighetto brachte sie in seine Heimat.
Weitere Kostenlose Bücher