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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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zärtlich, sie zu ermorden. Außer sich bei einem so entsetzlichen kläglichen Schauspiel, war er unbeweglich geworden; sie aber, die in dieser erschütternden Szene einen Berg von Erz hätte in Stücke schlagen können, sank, als sie ausgeredet hatte, voll Aufregung, wie eine reuige Magdalena vor Christus, zu den Füßen des Königs nieder, ließ aber darum ihr Messer nicht los, badete es mit heißen Tränen und erwartete entweder erwünschte Antwort vom König oder mit unbesiegtem ruhigem Mute den Tod. Der König verharrte eine gute Weile in dieser Stellung, ohne sich irgend zu rühren, Verschiedenes im Innern bewegend und von tausend Gedanken bekämpft, ganz unentschlossen, wobei Alix indes nicht aufhörte, ihn zu bitten, er möge eines oder das andere ausführen.
    Am Ende, als der König die Standhaftigkeit, Festigkeit und Charakterstärke seiner Geliebten, die er mehr als sich selbst liebte, überlegt hatte und die festeste Meinung hegte, daß wenige so vortreffliche Frauen aufgefunden werden können, und daß sie jeder Ehre und Hochachtung würdig sei, reichte er ihr mit einem heißen Seufzer die Hand und sagte zu ihr mit Rührung: »Steht auf, meine Herrin, und fürchtet nicht von mir, daß ich je etwas anderes von Euch verlangen werde, als was Euch so sehr angelegen ist! Gott bewahre mich, daß ich die Frau, die ich wie mein Herz, ja noch, weit mehr liebe, umbringe; denn jeden, der ihr nur zur Last fallen, geschweige der sie umbringen wollte, würde ich als meinen Todfeind erwürgen. Steht auf um Gottes willen, edle Frau, steht auf! Dieses schneidende und in Wahrheit, wie mir scheint, bedeutungsvolle Messer bleibe in Euern Händen als untrügliches Zeugnis Eurer unbesiegten und fleckenlosen Keuschheit vor Gott und den Menschen. Diesen reinen Anblick konnte die irdische, fleischliche Liebe nicht ertragen, sie ist voll Schande und Beschämung von mir geflohen und hat der aufrichtigen und wahren Liebe Platz gemacht. Wenn ich in früherer Zeit meine Feinde zu besiegen wußte, will ich jetzt zeigen, daß, indem ich mich selbst überwinde und meine unanständigen Begierden zügle, ich auch über meinen Willen Herr werden und mit mir und meinen Trieben anfangen kann, was ich will. Was ich aber im Sinn habe und zu tun und auszuführen entschlossen bin, das werdet Ihr, zu Eurer größten Genugtuung, wie ich mir schmeichle, und vielleicht mit nicht geringerer Verwunderung mit Gottes Hilfe bald sehen; dies wird auch zu meiner unermeßlichen Zufriedenheit geschehen. Und ich verlange für jetzt nichts anderes von Euch als einen Kuß in allen Ehren zum Angeld auf das, was bald die Welt mit Verwunderung sehen und zweifelsohne loben wird.«
    Nachdem der König Alix mit großer Lust geküßt hatte, öffnete er die Tür des Gemachs und hieß die Gräfin, den Kämmerer und die Frauen hereinkommen. Wenn alle beim Anblick der weinenden Alix mit dem bloßen Messer in der Hand voll Verwunderung und Staunen waren, so ist das nicht zu verwundern, da sie nicht wußten, was die Sache bedeute. Als sie eingetreten waren, trug der König dem Kämmerer auf, in dem Zimmer alle Hofleute und Adligen, die sich im Palaste befänden, zu versammeln, was auch in kürzester Zeit ausgeführt ward. Dabei war unter andern der Bischof von York, ein Mann von der größten Geschäftsgewandtheit und seltener Gelehrsamkeit, nebst dem Admiral der Flotte. Ferner befand sich darunter der erste Sekretär des Königs. Diese drei mit dem Kämmerer hieß der König in das kleine Gemach treten, sonst niemand; in dem großen Zimmer aber waren viele Barone und Herren. Der Bischof und die beiden andern standen drinnen voll der größten Verwunderung da, als sie die Gräfin mit ihrer Tochter sahen, die auf des Königs Befehl das Messer in der Hand hielt und deren Tränen noch nicht getrocknet waren. In gespannter Erwartung harrten sie, zu erfahren, was das bedeute, und da sie sich den wahren Verlauf dieses wunderbaren Schauspiels gar nicht einbilden konnten, schwiegen sie still.
    Die Tür des kleinen Gemachs war bereits verschlossen, und die im Saale draußen warteten, zu vernehmen, zu welchem Zwecke sie berufen seien. Der König hatte in Gegenwart aller das zu tun gedacht, was er hernach tat; darauf aber hatte er seinen Plan geändert und wollte keine weiteren Zeugen als die in dem kleinen Gemach. Hier erzählte er denn genau die ganze Geschichte seiner Liebe und das, was ihm soeben mit Alix begegnet war. Er lobte unaufhörlich ihre göttliche Sittsamkeit und ihren

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