Italienische Novellen, Band 2
dem König zu Willen sei, und daß sie die Mittlerin und Führerin gemacht habe, die sie zum König gebracht. Doch führte sie auch für sich einige Gründe an, indem sie geltend machte, wie ungern sie gegangen sei; die Furcht aber, ihren Gatten samt ihren Söhnen und dem ganzen Hause dem Untergang geweiht zu sehen, habe sie gezwungen, von zwei Übeln das geringere zu wählen; und so stritten sie freundlich miteinander. Vor allem aber dankte die neue Königin inbrünstig Gott, daß er ihre keusche Absicht berücksichtigt und in seiner unendlichen Güte sie zu einer so erhabenen königlichen Höhe erhoben habe.
Sofort ging der Graf Richard mit seinen Söhnen hin, dem König aufzuwarten, der alle sehr ehrenvoll und höflich aufnahm, indem er den Grafen als seinen Schwäher und Vater ehrte und seine Söhne als seine rechten Schwäger, die sie auch waren. Sodann sprach der König ausführlich über die Art, wie man die Königin zur Krönung nach dem Palaste einholen müsse; es wurde die schickliche Zurüstung zu der künftigen Hochzeitsfeier gemacht. Der König ließ seine neue Verehelichung bekanntmachen und alle Herzoge, Markgrafen, Grafen, Freiherren und andere Edelleute von seinen Vasallen einladen, sich zu London am 1. Juli zur Hochzeit und Krönung der Königin einzufinden. Unterdessen ging der König insgeheim in das Haus des Grafen und brachte eine oder zwei Stunden des Tages in Freuden bei seinem liebsten Ehegemahl zu. Als dann der erste Juli gekommen war, ging der König am Morgen unter ehrenvollster Begleitung in das Haus des Grafen, seines Schwähers, und fand dort die frohe Alix als Königin gekleidet und den Palast prunkvoll geschmückt. Mit einem Gefolge von vielen Frauen und Fräulein gingen sie dann in die Kirche, um die Messe zu hören, und als diese zu Ende war, vermählte sich der König von neuem öffentlich mit ihr. Und auf dem Markte, wo die feierlichste Zurüstung gemacht war, wurde sie als Königin von England gekrönt mit einer sehr reichen Krone, die man ihr aufsetzte. Von da begab man sich in die königliche Burg zur Tafel. Die Mahlzeit war kostbar und schön, wie es sich für einen solchen König schickte; er hielt einen Monat lang ununterbrochen Hof mit den prächtigsten Aufzügen und Festlichkeiten, wobei er einen Pomp entfaltete, als wäre die Tochter eines Königs oder Kaisers seine Frau geworden.
Die Königin wurde in kurzer Zeit so beliebt bei dem Volk und dem Adel, daß jeder den König höchlich pries, daß er eine so gute Wahl mit seiner Gattin getroffen hatte. Auch der König war von Tag zu Tag vergnügter, und seine Liebe zu der Königin schien immer zu wachsen. Er verlangte, daß beständig durch einen Knappen der Königin, wenn sie ausging oder wenn sie zur Tafel kam, das Messer entblößt vorangetragen wurde, womit sie sich einst bewaffnet hatte, zum Zeugnis für ihre unüberwindliche Keuschheit. Der König brachte es dann in kurzer Zeit dahin, daß der Graf, sein Schwäher, der reichste und angesehenste Baron der Insel wurde, und versorgte alle seine Schwäger mit Gütern und Einkünften so reichlich, daß sie auf immer zufrieden sein mußten.
Solche Erhöhung also erlebte die schöne, sittsame Alix, sie wurde Königin und war in d«r Tat würdig, ohne Ende gefeiert zu werden. Nicht weniger Lob aber verdient in diesem Falle der hochherzige, tugendhafte König, der durch sein Verfahren in dieser Sache sich als wahren König, nicht als Tyrannen erwies. Und gewiß ist er in dem, was er mit Alix tat, jedes schönen Preises würdig; sein ruhmvoller Sieg über sich selbst machte ihm auch seine Untertanen anhänglich und gehorsam und gab andern das Vorbild für eine rechtschaffene Handlungsweise: denn alle sahen daraus, daß man auf diese Art unvergänglichen Ruhm erwirbt. Und ich meinesteils glaube und hege die feste Überzeugung, daß er darum, weil er so gut seine unordentlichen Triebe zu regeln und seine Liebesleidenschaft zu überwinden verstand, keinen geringeren Ruhm verdient, als der ist, den er durch viele und glorreiche Siege im Waffenhandwerk sich erworben hat.
Die Errettung aus dem Grabe
Man hat heute schon gar lange von vielen und mannigfachen Zufällen gesprochen, die oft gegen alle menschliche Berechnung bei gewagten Liebeshändeln einzutreten pflegen, und daß gar häufig in dem Augenblicke, wo man ohne alle Hoffnung ist, das sehnlichst gewünschte Ziel erreichen zu können, eine Aussicht lebendig wird und man das, was man als verloren beweint hat, plötzlich
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