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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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wiedererwirbt. Und in der Tat sind diese Ereignisse in den meisten Fällen wunderbar für den, der daran denkt, und schwer zu glauben für einen, der nicht die Unbeständigkeit der Dinge, welche unter dem Monde in beständiger Bewegung sind, in Betracht zieht. Einer, der es für sicher hielt, das so sehr gewünschte Ziel seines Unternehmens zu erreichen, sieht sich mit einem Schlage weit davon entfernt, ja sieht es ganz aus den Augen verschwunden. Der andere findet nach langen und peinvollen Mühen, daß er sie umsonst angewandt hat; und während die Seele der früheren Begierde sich entschlägt und einen andern Weg wählt, siehe, da findet sich die schon preisgegebene Sache unvermutet wieder unter den Händen, und man gelangt in völligen Besitz dessen, was man niemals bekommen zu können wähnte. So spielt häufig in den menschlichen Dingen mit der Scheibe seines unbeständigen Rades das blinde Glück, das zwar in allen seinen Handlungen wankelmütig und wechselnd ist, am unbeständigsten aber in Liebessachen sich zeigt. Weil aber nach dem gemeinen Sprichworte Beispiele viel weiter helfen als Worte und der Rede zweifellosen Glauben verschaffen, so möchte ich euch demgemäß eine Geschichte erzählen, die in der erlauchten Stadt Venedig vorgefallen ist.
    Es befanden sich nämlich daselbst zwei Edelleute, wie man aus den öffentlichen Urkunden des gestrengen Magistrats der Schirmvögte der Gemeinde noch heutigentages sehen kann; sie waren reich an Glücksgütern und besaßen Paläste an dem großen Kanal, einander fast gerade gegenüber. Der Besitzer des einen hieß Messer Paolo und hatte von seiner Frau eine Tochter und einen Sohn namens Gerardo, sonst keine Kinder. Der andere Edelmann hieß Messer Pietro, der von seiner Gattin bloß ein einziges Kind hatte, ein Mädchen von dreizehn bis vierzehn Jahren, namens Elena, die unglaublich schön war und mit jedem Tage neue Reize entfaltete. Der etwa zwanzigjährige Gerardo hatte ein vertrauliches Liebesverhältnis mit der sehr verlockenden und gefälligen Frau eines Barbiers. Fast täglich stieg er mit seinem Diener in die Gondel, fuhr über den Kanal hin und in einen kleinen Kanal hinein, der das Haus von Elenas Vater bespülte, unter dessen Fenstern hinweg, und machte den gewohnten Besuch. Da geschah es, wie denn je zuweilen Unglücksfälle eintreten, wenn man sie gerade am wenigsten erwartet, daß die Mutter Elenas erkrankte und zum schmerzlichsten Leidwesen ihres Mannes und ihrer einzigen Tochter starb.
    Auf der andern Seite des kleinen Kanals, schrägüber von Messer Pietros Wohnung, wohnte ein Edelmann mit seiner Frau und vier Töchtern. Messer Pietro, der angelegentlich wünschte, seine Tochter bei guter Laune zu erhalten und durch ehrbare Gesellschaft zu zerstreuen, schickte wenige Wochen nach dem Tode seiner Frau die noch im Hause wohnende ehemalige Amme Elenas zu dem Vater der vier Töchter ab und ließ ihn bitten, am nächsten Festtage die Erlaubnis zu geben, daß seine Töchter auf Besuch zu Elena herüberkommen und sich mit ihr unterhalten. Der höfliche Nachbar erteilte seine Zustimmung, und so fanden sich fast an jedem Festtage die vier Schwestern ungehindert und mit Vergnügen in Elenas Hause ein, indem sie, ohne von jemand gesehen zu werden, auf der Wasserseite des Hauses in die Gondel stiegen und sich bis zum Wassertore des gegenüberliegenden Hauses Messer Pietros übersetzten. Wenn dann die fünf Mädchen beisammen waren, spielten sie manchmal ihrem Alter und Geschlechte angemessene Spiele, und unter anderen auch die Forfetta. Es soll dies ein Spiel mit einem Balle gewesen sein, den sie einander zuwarfen; und wer ihn nicht im Fluge auffangen konnte, sondern ihn zu Boden fallen ließ, der hatte gefehlt und das Spiel verloren. Die vier Schwestern standen im Alter von siebzehn bis zwanzig oder einundzwanzig Jahren, und eine jede war in einen jungen Mann verliebt. Deshalb liefen sie oft während des Spieles, bald die eine, bald die andere, oft auch drei, ja alle vier zusammen nach den Balkonen, um ihre Geliebten zu sehen, wenn sie darunter vorüberfuhren. Die unschuldige, mit den Liebesflammen noch unbekannte Elena war darüber so unwillig und mißvergnügt, daß sie die andern oft an den Kleidern zum Spiele zurückzog. Es lag ihnen freilich an dem Anblick der Jünglinge mehr als an dem Ball, und so verweilten sie an den Fenstern, unbekümmert um Elena, und warfen manchmal Blumen oder andere kleine Sachen, wie es sich gerade fügte, ihren Geliebten zu,

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