Italienische Novellen, Band 2
wie nur für irgend jemand, den ich bis jetzt kenne.«
Im Verlaufe des Gesprächs belehrte dann die Amme das Mädchen über die Gefahren, die unter diesem Spiele der Liebe verborgen liegen, infolgedessen schon so manche einfältige Mädchen und Frauen von den Männern berückt worden seien. Sie machte ihr auch begreiflich, wie jedes weibliche Wesen, es möge sein, welches es wolle, seine Ehre über alles heilig halten und bewahren müsse, und sagte ihr schließlich noch mancherlei andere Ermahnungen, um zu ihrem Zwecke zu gelangen; wenn sie ihr verliebtes Spiel, wie sie es nenne, auf eine ehrbare Weise zu beendigen wünsche, so müsse sie durchaus den Mut fassen, die Gattin ihres Gerardo zu werden. Wie unerfahren und kindlich das junge Mädchen auch noch war, so ließ ihre gesunde Natur sie doch alles verstehen, was die Amme ihr sagte. Zugleich erwachte in ihrem Busen die Liebe, die sie für Gerardo hegte, und nahm zu, so daß sie der Amme antwortete, sie sei bereit, ihn zum Mann zu nehmen, lieber als jeden andern Edelmann von Venedig.
Mit dieser günstigen Antwort nahm die Amme die Gelegenheit wahr, zu dem zwischen Furcht und Hoffnung schwebenden verliebten Gerardo zu gehen. Wie der Jüngling die Amme mit heiterer Miene auf sich zukommen sah, fand er darin gleich eine glückliche Vorbedeutung für die Erreichung des Zieles seiner Hoffnung, bewillkommnete sie dankbar auf das freudigste und sagte: »Willkommen, mein gutes Mütterchen! Was bringt Ihr mir gutes Neues?«
Die Amme entgegnete: »Ich bringe dir die besten Nachrichten, mein Sohn, wenn du noch desselben Sinnes bist.« Sie fing hierauf von vorne an, erzählte ihm ihr ganzes mit Elena geführtes Gespräch und schloß mit der Versicherung, daß diese jederzeit, wenn er es verlange, bereitwillig sei, seine Gattin zu werden. Bei seiner heißen Liebe für das reizende Kind kannte er keinen höheren Wunsch, als sie zur rechtmäßigen Gattin zu bekommen, und dies um so mehr, als er wußte, daß sie die einzige Tochter von Messer Pietro war. Er dankte also seiner Amme bestens für ihre Dienste und verabredete mit ihr, wie und wann er sich mit Elena zusammenfinden könne zum erwünschten süßen Abschluß der so sehr ersehnten Vermählung. Als dies unter ihnen angeordnet war, kehrte die Amme nach Hause zurück.
Die gute Elena, die noch nie die Liebe gekostet hatte, fühlte nun doch bereits ein gewisses Etwas in ihrem Herzchen sich regen, was sie hold brannte und stachelte, und wenn sie daran dachte, daß sie in kurzem die Gattin ihres teuern Gerardo werden werde, so wußte sie sich gar nicht mehr zu lassen. Die Sehnsucht, mit ihrem Geliebten ein Spiel zu spielen, das ihr noch ein verschlossenes Geheimnis war, das sie aber für äußerst anmutig hielt, trieb sie sehr zur Hochzeit. Mit Entsetzen und Eiseskälte durchschauerte sie hingegen das Bewußtsein, ohne Vorwissen und Erlaubnis des Vaters zu handeln, und die Besorgnis, es möchte irgendein großes Ärgernis daraus entstehen. Zwischen Furcht und Hoffnung schwebend und also im Kampfe mit sich selbst begriffen, redete sie innerlich mit sich: »Werde ich denn,« sagte sie, »je so kühn, ja verwegen sein, so etwas heimlicherweise zu tun?« Dann verscheuchte sie diesen Gedanken und sagte: »Sollte ich nicht alles tun, um die süße Freude zu haben, immerdar mit meinem Gerardo zu spielen?«
So faßte sie am Ende nach langem Besinnen und Schwanken den Entschluß, ihren Liebhaber zu heiraten, es möge dann daraus werden, was da wolle. Hinterbrachte nun die teure Amme dem jungen Mädchen bald die frohe Botschaft von Gerardos unverändert guten Gesinnungen gegen sie, so war sie darüber äußerst vergnügt. Nach verschiedenen Besprechungen setzten sie fest, eines Tages eine große Wäsche anzustellen und alle Mägde dabei gerade zu der Zeit zu beschäftigen, wo Messer Pietro ausgegangen sei, damit Gerardo ohne Schwierigkeit in ihr Haus kommen könne. Nach dieser Beratschlagung wurde Gerardo von der schlauen Amme die anberaumte Zeit mitgeteilt.
Die Stunde kam. Messer Pietro war schon in die Senatsversammlung gegangen, die Amme und Elena hatten der sämtlichen Dienerschaft des Hauses bei der Wäsche zu tun gegeben. So kam denn Gerardo ans Haus, drückte sachte die Tür auf, die er angelehnt fand, trat hinein, schlich, ohne von jemandem gesehen zu werden, die Treppen empor und versteckte sich in einem Gemach, das die Amme ihm angewiesen hatte. Dort erwartete er die Amme, die zu ihm kommen sollte und auch nicht versäumte,
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