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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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ihn abzuholen, und ihn auf einer kleinen geheimen Treppe nach dem Gemache führte, woselbst Elena seine Ankunft erwartete. Das einfältige schüchterne Mädchen zitterte; eine eisige Angst befiel sie, und ein kalter Schweiß machte alle ihre Glieder erstarren, so daß sie sich nicht bewegen konnte und nicht wußte, was sie sagen solle. Auch Gerardo war anfangs durch die ihn ganz erfüllende unerfaßlich große Freude des Gebrauchs der Sprache beraubt, bis er wieder Mut bekam, die Bande der Zunge löste und die Geliebte mit schuldiger Ehrerbietung und bebender Stimme begrüßte. Das verschämte Mädchen hieß ihn ihrerseits willkommen, und die Amme sprach lächelnd zu dem schweigenden Liebespaar: »Ihr scheint ja fast eine stumme Musik aufführen zu wollen. Da indes ein jedes von euch beiden die Ursache weiß, warum ihr hierher gekommen seid, so ist es nach meinem Rate besser, keine Zeit zu verlieren, die euch zur Befriedigung eurer keuschen Sehnsucht vergönnt ist. Seht hier über diesem Bette das Bild der glorreichen Himmelskönigin mit dem Bilde ihres Sohnes, unseres Erlösers, im Arme, und betet mit mir zu beiden, daß die Ehe, die ihr durch euer Verlöbnis miteinander hier vollzieht, durch einen guten Anfang, bessern Fortgang und das beste Ende von ihnen gesegnet werde!«
    Nach diesem Eingange sprach die gute Amme die bei solchen Trauungen nach dem löblichen Gebrauche der römisch-katholischen Kirche üblichen Worte, und Gerardo überreichte seiner geliebten Elena den Ring. Wie groß jetzt die Freude der Neuvermählten war, könnt ihr euch denken. Als die Amme die Sache zu diesem guten Ziele geführt hatte, ermahnte sie sie, da sie bequeme Zeit dazu hätten, sich miteinander zu unterhalten. Dann nahm sie Abschied, ließ die Kämpen allein auf der Bahn und ging hinab zu der Wäsche. Was die in die Kammer eingeschlossenen Neuvermählten taten, kann ich euch nicht sagen, da keine Zeugen dabei waren. Doch ist niemand unter uns, der nicht genau sich selbst einbilden kann, wie es war, wenn er daran denkt, ob er schon selbst in ähnlicher Lage war.
    Als die Amme dachte, die Kämpfenden seien nun lange genug beisammen gewesen, kam sie wieder in ihr Gemach, wo sie sie zwar nicht gesättigt, aber doch wohl ermüdet wiederfand, und ließ sich in allerlei Gespräche und ergötzliche Reden ein, die sie noch weit mehr aufheitern mußten. Alle drei nahmen miteinander Abrede zu ferneren ungefährdeten heimlichen Zusammenkünften, bis daß die Gelegenheit sich darböte, den also geschlossenen Bund der Ehe öffentlich gelten zu machen, und Gerardo entfernte sich nach vielen süßen Küssen unter der Leitung und dem Beistande der schlauen Amme unbemerkt wieder aus dem Zimmer und dem Hause, fast außerstande, sich über die ihm zuteil gewordene überschwengliche Freude zu fassen.
    Elena blieb über die Trennung von ihrem Gatten wohl betrübt, übrigens aber unsäglich froh. Sie war das zufriedenste Weib in ganz Venedig und segnete die Stunde und den Augenblick, wo sie Gerardo zuerst gesehen hatte. Was sollen wir aber sagen von der wunderbaren und gewaltigen Kraft der Liebe, die sich an Elena erwies? Sowie sie anfing, das Minnespiel zu schmecken, und die göttlichen Flammen der Liebe ihr Herz erwärmten und entzündeten, gingen ihr auch sogleich die Augen des Verstandes auf. Sie ward so klug, behutsam, schlau und anmutig, daß wenige in Venedig ihr gleichkamen, keine aber sie an Anmut, Schönheit, weiblicher Klugheit übertraf, und daß Tag für Tag ihre Gaben zunahmen.
    Gerardo ward stündlich vergnügter und ging, sooft es mit Hilfe der listigen Amme geschehen konnte, jede Nacht, um bei seiner teuern Frau zu schlafen, wo sich beide die beste Zeit und das wonnigste Leben von der Welt verschafften.
    Während nun beide freudig ihre Vereinigung genossen, bereitete das feindliche Schicksal, das nie jemand, und namentlich Liebenden nicht, lange große Ruhe gönnt, auch Gerardo und Elena neue Störung und Hemmnis, und nachdem sie etwa zwei Jahre aufs glücklichste zusammen gelebt hatten, sollten sie nun auch ein wenig die bittere Galle des Ungemachs kosten, die das Geschick in die schönsten Teile des Lebens, und zwar gerade je süßer das Leben ist, plötzlich um so lieber zu mischen pflegt. Es war in Venedig ein altes Herkommen, daß der Rat alljährlich einige Galeeren nach Beirut sendete und ihre desfallsige Absicht öffentlich ausrufen ließ, damit die, welche die Reise zu machen Lust hatten, gegen Bezahlung an die Republik eine

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