Italienische Novellen, Band 2
freundliche und kluge Mann seid, als den man mir Euch schildert, so bin ich versichert, daß ich in betreff dessen, was ich Euch eröffnen werde, zweierlei an Euch vorfinden werde, erstens, daß Ihr mir unverbrüchliche Treue und Verschwiegenheit halten werdet, sodann, daß Ihr Mitleid habt mit meiner Not und Mittel finden möget, sie zu lindern; denn ich halte Euch für einen nicht minder geschickten Arzt von Leiden der Seele als des Körpers. Ihr wißt ja wohl, was es um ein junges, in weichlichem Leben sich bewegendes Weib ist, das sich mit einem betagten Manne vermählt sieht, der, offengesagt, im Frauendienst wenig oder nichts vermag; wiewohl mir nichtsdestoweniger nichts Unehrbares in den Sinn gekommen ist noch mein Wille dahin geht, etwas zu tun, was meinem Herrn und Herzoge mißfallen könnte. Aber seit einigen Tagen fühle ich mich so heftig durchglüht von dem Verlangen, einen Mann zu sehen, den ich niemals gesehen habe, daß, wenn ich diesem Gelüste nicht genüge, ich klar einsehe, daß es mir unmöglich ist, am Leben zu bleiben, wiewohl ich mir alle Gewalt angetan und auf tausenderlei Art und Weise mich bemüht habe, diese Phantasie mir aus dem Sinne zu schlagen, – aber alles war umsonst: denn so sehr ich strebe und mich anstrenge, dieses glühende Verlangen, ich sage nicht zu löschen, sondern nur, es zu dämpfen, um so mehr entzündet es sich und wird mit jedem Augenblick größer. Ich sehe, daß es mich offenbar ins Grab bringt, wenn ich hier nicht ein ernstliches Mittel anwende, und so habe ich denn beschlossen, alles zu tun, um nur nicht umzukommen; denn das letzte, was ich wünsche, wäre allerdings, mich dem Tode in den Rachen zu stürzen.«
Die Herzogin erzählte nun weiter, was sie von der Pilgerin über ihren Bruder hatte sagen hören, und erklärte, sie sei entschlossen, alles zu tun, um den berühmten Ritter zu sehen, wobei sie den Arzt immer wieder bat, ein passendes Mittel zu suchen, um dieses ihr Verlangen zu Ende zu führen. Nachdem sie ihm dafür goldene Berge verheißen, stellte sie ihm endlich auch noch die Hand Giulias in Aussicht. Der Arzt liebte Giulia wie sein Leben und wünschte nichts sehnlicher, als sie zur Gattin zu erhalten; sobald er daher diese Saite berühren hörte, gab er der Herzogin das unbedingte Versprechen, mit aller Mühe das Mittel ausfindig machen zu wollen, das für ein solches Unternehmen passe; um aber die Wichtigkeit des Falles reiflich zu erwägen und ein Mittel zu finden, daß niemand die List bemerke, erbat er sich zwei Tage Frist, um verschiedene Mittel zu überlegen und wieder in Betracht zu ziehen. Inzwischen hatte er bereits einen Anschlag in Gedanken gefaßt, der ihm gar wohl gefiel, und ermahnte die Herzogin, im Bette zu bleiben und auszusprengen, sie sei etwas unwohl, und um seinem Plane einen rechten Anstrich zu geben, verordnete er ihr eine Latwerge und andere Arzneien. Darauf verließ er sie, ging nach Hause und fing nun an, seinen Verstand recht anzustrengen und allerlei Hirngespinste und seltsame Ränke auszuklügeln, so daß sein Geist vollständig in dieses Unternehmen versenkt war. Nachdem er denn viele Luftschlösser erbaut und die Schärfe seiner Einsicht übermäßig in Anspruch genommen, auch verschiedene Listen ersonnen hatte, fiel er endlich als auf das sicherste und beste Mittel darauf, sie sollte nach Sankt Jakob in Galizien gehen unter dem Vorwande, daß sie ein Gelübde getan habe, persönlich und zu Fuß die heiligen Reliquien des Apostels zu besuchen.
Als bei dem schlauen Appiano dieser Entschluß feststand, wartete er der Herzogin wieder auf und eröffnete ihr in Gegenwart seiner Giulia, was er ausgedacht hatte; und damit die Herzogin einen anständigen und gültigen Grund habe zu einem solchen Gelübde, wollte Appiano, daß sie sich sehr krank stelle und es hernach den Anschein gewinne, sie sei durch ein Wunder des heiligen Jakob genesen. Der Herzogin gefiel dies um so mehr, als der gefällige Arzt ihr überdies ein gutes Mittel angab, wie sie ihre Kammerfrauen mit guter Art auf den Glauben bringen könne, daß sie den heiligen Apostel der Herzogin haben leibhaftig erscheinen sehen. Die Herzogin fing also an, sich übelgelaunt zu betragen, vor allen Speisen, die man ihr vorsetzte, Ekel zu erkennen zu geben und heftig über Magenschmerzen zu klagen. Sie hatte neben anderen Verordnungen Appianos Räucherungen mit Mutterkümmel vorgenommen, so daß sie ganz bleich geworden war. Es wurden andere Ärzte zur Behandlung gerufen,
Weitere Kostenlose Bücher