Italienische Novellen, Band 2
die, als sie sie so bleich sahen, heftig erschraken. Sie wurden von Appiano über den Fall unterrichtet, der nach seiner Art ihnen einen langen Vortrag über das Leiden und die verschiedenen Krankheitsfälle, die die Herzogin gehabt haben sollte, vorerzählte, und so verließen sie sich auf ihn, der doch die Natur der Kranken am besten kenne. Als er sah, daß die Sache ging, wie er gedacht hatte, beriet er mit ihnen einige Mittel, die er anzuwenden beschlossen, welche denn auch von allen vollständig gutgeheißen wurden.
Indessen schien sich der Zustand der Herzogin von Tag zu Tag zu verschlimmern; sie aß nur heimlich nahrhafte Speisen, die ihr Appiano verschaffte, und so verbreitete sich durch ganz Turin das Gerücht, die Herzogin sei in Todesgefahr. Dies versicherten auch die anderen Ärzte, weil Appiano mit Giulias Hilfe das Wasser dermaßen verfälschte, daß sich die Zeichen des Todes darin fanden. Der Weihbischof des Erzbischofs von Turin war ein Bischof, dessen Bistum in den Ländern der Ungläubigen lag, ein armer Mann ohne Besitz, der aber sehr einfältig war und einen frommen Wandel führte. Bei diesem nahm sich die Herzogin vor zu beichten und legte ihm eine Beichte ab wie Ser Ciappelletto, indem sie ihm mitteilte, wie sie ganz sicher ihre Lebenskräfte hinschwinden und den Tod herannahen fühle, wobei sie ihn bat, für sie zu beten. Der leichtgläubige Alte tröstete sie dagegen mit frommen Worten und ermahnte sie, ihre Seele Gott zu empfehlen und auf sein himmlisches Erbarmen zu hoffen. Auch veranstaltete der gute Bischof, daß tags darauf eine große Prozession gehalten und von der ganzen Klerisei der Stadt um die Gesundheit der Herzogin gebetet wurde.
Appiano hatte mit eigener Hand ein meisterhaftes Abbild Sankt Jakobs von Galizien verfertigt, so wie man sich ihn gemeiniglich vorstellt. Es war zusammengepappt und außen mit schönen Farben angestrichen, denn Appiano war nicht allein ein gelehrter Arzt, sondern auch in tausenderlei Kunstfertigkeiten geübt. Er legte diese Figur in einen Kasten zu leinenen Tüchern, die er vorher wohl mit gebrannten Wassern durchnäßt und in Spiritus getränkt hatte, und übergab die Kiste Giulia, die sie als voll von ihr zugehörigen Habseligkeiten sogleich auf das Schloß schaffen und hinter das Bett der Herzogin stellen ließ. Die Herzogin hatte für die Dauer ihrer erdichteten Krankheit zwei einfältige alte Weiber gewählt, um die Nacht in ihrem Schlafzimmer zuzubringen, wo auch Giulia schlief. In der Nacht nach dem Tage also, wo die erwähnte Prozession gehalten wurde, um Mitternacht, als Giulia sah, daß die alten Weiber, welche lange gewacht hatten, in tiefen Schlaf gesunken waren, öffnete sie leise die Kiste, nahm das Bild des Sankt Jakob heraus und befestigte es mit Hilfe der Herzogin an der Wand gerade hinter dem Bette, worauf sie die Bettvorhänge zurückschlug und dicht an dem Bilde die leinenen getränkten Tücher anzündete. Das Standbild des Heiligen war so eingerichtet, daß es, wenn man einen daran befestigten weißen Faden Zwirn anzog, den rechten Arm erhob, wie um Segen zu spenden. Da stieß Giulia plötzlich einen so lauten Schrei aus, daß die beiden guten Alten erwachen mußten. Giulia warf sich zwischen Wand und Bett auf die Knie nieder, zog an dem Faden und rief: »Wunder, ein Wunder!«
Die Herzogin stand vom Bette auf, stürzte ebenfalls vor dem Heiligen nieder und bat ihn, sie zu heilen, wofür sie ihm zu wiederholten Malen gelobte, eine Wallfahrt zu seinen heiligen Resten zu unternehmen. Die beiden guten Alten sahen, wie das Bild die Herzogin segnete, und die brennenden Tücher verbreiteten einen so schönen hellen und bunten Glanz um den Heiligen, daß jene steif und fest glaubten, es sei Sankt Jakob der Ältere, Bruder des Evangelisten Johannes, und vor Rührung weinend andächtig niederknieten. Die guten Alten hörten die Herzogin das Gelübde mehrmals wiederholen, und sobald diese den Glanz der getränkten Tücher abnehmen sah, hieß sie die beiden Alten aus dem Zimmer gehen und den Arzt herbeiholen, der in einem nicht sehr entfernten Zimmer auf der Burg sich zur Ruhe begeben hatte. Während die guten Mütterchen hingingen, den Arzt zu rufen, nahmen die Herzogin und Giulia die Figur weg, und Giulia brachte sie schnell in die Kiste zurück. Die beiden Alten machten einen solchen Lärm, daß sie nicht allein Appiano aufweckten, sondern fast alle Bewohner des Schlosses aufscheuchten mit ihrem Geschrei: »Wunder, ein Wunder!«
Auch der
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