Italienische Novellen, Band 2
der König damals aufhielt, und Herrn Filiberto die Zunge zu lösen, um die zehntausend Franken zu gewinnen. An die Möglichkeit, daß der auf ihr Verlangen Verstummte, wenn er sie sähe und von ihr gebeten würde zu sprechen, etwa doch nicht sprechen wolle, dachte sie gar nicht. Sie machte daher ihre Vorbereitungen, setzte gewisse Gerüchte in Umlauf und machte sich nach Frankreich auf den Weg. In Paris angelangt, begab sie sich ohne Verzug zu den königlichen Beamten, denen die Sorge für Monsignor Filibertos Wiederherstellung aufgetragen war, und sagte zu ihnen: »Ihr Herren, ich bin hierhergekommen, um Monsignor Filiberto zu heilen. Ich besitze einige vortreffliche Geheimnisse in dieser Kunst, durch die ich es mit Gottes Hilfe dahin zu bringen hoffe, daß er in vierzehn Tagen vollkommen gut sprechen wird. Stelle ich binnen dieser Zeit seine Gesundheit nicht vollkommen her, so will ich mein Haupt verlieren. Ich verlange aber, solange die Kur dauert, mit Monsignor Filiberto in einem Zimmer alleingelassen zu werden, weil ich nicht will, daß jemand das Heilmittel lerne, das ich hierbei anzuwenden willens bin. Ich muß Tag und Nacht bei ihm bleiben, denn auch bei Nacht müssen zu gewissen Stunden meine Arzneien angewandt werden.«
Als die Herren Beamten diese Edelfrau so dreist und zuversichtlich in so gefährlichem Falle reden hörten, wo die gelehrtesten Arzte Frankreichs und anderer Länder sich getäuscht sahen, berichteten sie Monsignor Filiberto, es sei eine Dame aus Piemont gekommen und erbiete sich, ihn zu heilen. Er ließ sie in seine Wohnung bringen und erkannte sie auf der Stelle. Er hielt aber dafür, sie habe nicht aus Liebe zu ihm, sondern aus Begierde nach den zehntausend Franken sich die Beschwerde dieser Reise aufgebürdet; er zog ihre große ihm erwiesene Härte und Grausamkeit und alle Leiden, die sie ihm bereitet hatte, in Erwägung, und so fühlte er, daß sich seine vordem so brünstige, doch schon erkaltete Liebe in den gerechten Durst nach Rache umwandelte. Er beschloß deswegen, sich mit ihr den Genuß zu verschaffen, der ihm von seinem guten Glücke dargeboten ward, und sie mit verdienter Münze zu bezahlen. Sobald sich daher Frau Zilia mit ihm allein in seinem Zimmer befand, das sie von innen verschlossen hatte, sprach sie zu ihm: »Mein Herr, kennt Ihr mich nicht? Seht Ihr nicht, daß ich Eure teure Zilia bin, die Ihr einmal so innig zu lieben vorgabt?«
Er nickte ihr bejahend zu, daß er sie wohl kenne, legte aber zum Zeichen, daß er nicht reden könne, den Finger an die Zunge und zuckte die Achseln. Und wiewohl ihm die Frau versicherte, daß sie ihn des ihm gegebenen Schwurs und Wortes entbinde und nur in der Absicht nach Paris gekommen sei, um alles zu tun und zu dulden, was er ihr befehlen werde, tat er doch nichts anderes, als mit den Achseln zucken und die Zunge mit dem Finger berühren. Da Madonna Zilia nun zu ihrem großen Mißvergnügen sah, daß Monsignor Filiberto sein Betragen gegen sie nicht änderte, und daß alle ihre Bitten keinen Eindruck auf ihn machten, so begann sie ihn zärtlich zu küssen und mit allen möglichen Liebkosungen zu überschütten. Daher fühlte er, als ein junger Mann, der früher auch glühend die in Wahrheit sehr schöne Frau geliebt hatte, die sinnliche Lust erwachen und sich regen, was vielleicht schlief; und stumm verharrend genoß er mit ihr die Freuden der Liebe, wonach er sich so sehr gesehnt hatte. Auf diese Weise unterhielt er sich im Laufe der vierzehn Tage vielmals mit ihr im Minnespiel; wenn er aber dabei auch all seinen Gliedern freien Lauf ließ, so ließ er doch nicht der Zunge den Lauf, weil ihm bedünkte, daß jener ihm in Moncalieri vergönnte Kuß eine so lange und schwere Strafe wohl verdiene. Wollte man all die Vorstellungen berichten, die sie ihm machte, die heißen Bitten, womit sie ihn bestürmte, die Tränen, die sie vergoß, um ihn zum Sprechen zu bewegen, so würde man bis heute nacht nicht damit fertig.
Als nun das Ende der von ihr in Anspruch genommenen Frist herankam und Monsignor Filiberto nicht sprechen wollte, erkannte sie endlich ihre große Einfalt und Verwegenheit sowie die Grausamkeit, die sie gegen ihren Liebhaber angewendet hatte, und gab ihr Leben verloren. Es wurde ihr nun nach Ablauf der angesetzten Frist angedeutet, sie möge die zehntausend Franken zahlen oder beichten, weil ihr des andern Tages das Haupt werde abgeschlagen werden. Sie wurde daher aus dem Zimmer des Monsignor Filiberto abgeholt und ins
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