Italienische Novellen, Band 2
Gefängnis geführt. Ihr Vermögen reichte nicht hin, um die Strafe zu bezahlen; daher bereitete sie sich zum Tode vor.
Als Monsignor Filiberto dies hörte, meinte er, er habe sie nunmehr genugsam geplagt und sich hinlänglich an ihr gerächt. Er ging daher zum König, verbeugte sich mit schuldiger Ehrfurcht vor ihm, hub zum freudigen Erstaunen des Königs und aller zu reden an und erzählte ihm die ganze Geschichte dieses seines langen Schweigens. Er bat darauf den König untertänigst, alle seinethalb Eingekerkerte zu begnadigen und ebenso auch die Dame, was der König bereitwillig tat. Frau Zilia ward ihrer Haft entlassen und wollte tiefbeschämt nach Piemont zurückkehren; Monsignor Filiberto wünschte aber, daß sie mit ihrer Begleitung sich abermals in seine Behausung möge aufnehmen lassen. Er rief sie sodann beiseite und sprach zu ihr: »Madonna, Ihr wißt, daß ich Euch in Moncalieri viele Monate lang meine Dienste widmete, weil ich in Wahrheit in heftiger Liebe zu Euch entbrannt war. Ihr erinnert Euch auch noch, daß Ihr mir nur für einen Kuß befohlen habt, drei Jahre lang stumm zu bleiben. Und ich schwöre Euch, hättet Ihr mich damals oder nachher, als ich nach Virle ging, meines Eides entbunden, ich würde Euch immer und ewig ein getreuer Diener gewesen sein. Aber Eure Grausamkeit hat Euch fast drei Jahre lang unstet in der Welt mich umtreiben lassen, und Gott, nicht Euch habe ich es zu danken, daß es mir so gut gegangen ist, daß ich hier reich geworden bin und mich der Huld meines Königs erfreue. Ich glaube nun an Euch gerechte Rache genommen zu haben, und ich will mich insofern gefällig gegen Euch beweisen, daß ich Euch nicht den Kopf abschlagen lasse und Euch die Kosten der unternommenen Reise und des Rückwegs reichlich ersetze. Lernt nun hieraus, inskünftige mit Klugheit zu Werke gehen und Edelleuten größere Achtung bezeugen: denn, wie man im Sprichwort sagt, die Menschen kommen zusammen, die Berge aber nicht.« Hierauf ließ er sie freigebig beschenkt von dannen ziehen. Der König wünschte, daß er sich vermähle, und gab ihm eine reiche junge Frau, die ihm mehrere Schlösser einbrachte. Er ließ sodann seinen Spoletiner Freund rufen und behielt ihn bei sich, indem er ihm eine gemächliche Zukunft bereitete. Er selbst erhielt sich fortwährend in der Huld seines königlichen Herrn und Gebieters und wußte sich auch nach Karls VII. Ableben bei dessen Nachfolger Ludwig XI. beliebt zu machen
Die Schloßherrin von Vergy
In der Zeit, wo ganz Burgund nur von einem einzigen Fürsten beherrscht wurde, lebte daselbst ein hochsinniger Herzog, der nach dem Tode seiner ersten Gattin eine sehr schöne Frau in zweiter Ehe zur Gemahlin hatte, die er im höchsten Grade liebte, da er ihr Gemüt nicht durchaus kannte: denn sie war nicht eben tugendhaft und wußte listig ihre verkehrte Natur zu verbergen. Der Herzog hielt an seinem Hofe in großer Gunst einen rechtschaffenen Edelmann, der mit all den guten Eigenschaften begabt war, die zu einem vollkommenen Hofmann erfordert werden, so daß er wegen seines reinen Betragens, seines höfischen, edeln Wesens von hoch und nieder geliebt und geachtet wurde. Der Herzog hatte den jungen Mann von Kindesbeinen an sorgfältig erziehen und ernähren lassen und liebte ihn auch wegen seiner vortrefflichen Eigenschaften; und da er wußte, daß er zwar von ganz edlem Blute, aber mit Glücksgütern sehr wenig reichlich ausgestattet war, hatte er ihm viel Gutes getan und ihm einige Burgen geschenkt; dabei verließ er sich auf ihn in allen Stücken wie auf sich selber, zog ihn bei jeder Angelegenheit zu Rate und fand seine Ratschläge immer gut und weise.
Der neuen Herzogin nun aber genügten die Umarmungen ihres Gatten nicht; vielmehr wünschte sie einen zu finden, der ihr manchmal besser das Pelzchen schüttelte, und uneingedenk ihres Standes und der Liebe und des fortwährend guten Bezeugens ihres Gatten gegen sie, warf sie ihr lüsternes Augenmerk auf den tugendhaften Jüngling, welcher Carlo hieß, und weil er ihr ausnehmend wohlgefiel, teils wegen seiner Schönheit, in der er blühte, teils wegen der guten und löblichen Eigenschaften, die sie an ihm bemerkte, setzte sie gegen alle Pflicht und Anstand ihre und ihres Mannes, des erhabenen Fürsten, Ehre außer Augen und entbrannte so heftig für Carlo, daß sie nicht satt werden konnte, ihn zu betrachten, sooft sich Gelegenheit dazu gab, und das geschah hundertmal des Tages; denn nie wich er dem Fürsten von der
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