Italienische Novellen, Band 2
entfaltete vor ihr bald Bänder, bald Schleier. Als sie nun einen Schleier sah, wie sie ihn brauchte, und er ihr sehr wohl gefiel, sagte sie: »Nun, guter Freund, wie verkauft Ihr die Elle von diesem Flor? Wenn Ihr mir einen billigen Preis macht, so nehme ich Euch fünfunddreißig Ellen ab.«
»Gnädige Frau«, antwortete der Spoletiner, »wenn Euch der Stoff gefällt, so nehmt ihn und forscht nicht weiter, wie man ihn verkauft, denn er ist schon bezahlt; und nicht allein der Flor, sondern alles, was ich hier habe, gehört Euch ohne alles Weitere, wofern Ihr es nur annehmen wollt.«
»Oh, das mag ich nicht«, sagte die Frau; »das wäre nicht anständig. Ich danke Euch für Euer Anerbieten. Sagt mir nur, was Ihr für den Flor wollt, und ich will Euch befriedigen; denn es wäre nicht recht, da Ihr mit dieser Beschäftigung Euern Lebensunterhalt erwerbt, wenn Ihr so gewaltig an mir verlöret! Macht mir einen anständigen Preis, und ich will Euch Euer Geld geben.«
»Ich verliere nichts, vielmehr gewinne ich sehr viel, wenn etwas unter meinen Sachen ist, was Euch gefällt«, antwortete der Spoletiner. »Und wenn Ihr ein so edles Herz habt, wie Euer Äußeres darauf schließen läßt, so nehmt Ihr das Geschenk dieses Flors an und auch das der andern Stücke, wenn sie Euch gefallen; denn es schenkt sie Euch einer, der für Euch nicht nur seine Habe, sondern sein Leben hingäbe, um Euch zu gefallen.« Als die Frau dies hörte, wurde sie über und über rot wie eine Rose, wenn sie im Mai beim Erscheinen der Sonne ihre jungen Blätter zu entfalten beginnt. Sie schaute dem Spoletiner scharf ins Gesicht und sagte zu ihm: »Ihr setzt mich sehr in Verwunderung mit dieser Eurer Rede. Daher erführe ich gern, wer Ihr seid und in welcher Absicht Ihr dies zu mir gesprochen habt; denn ich muß denken, Ihr habt Euch verirrt, da ich nicht von der Art bin, wie Ihr Euch vielleicht einbildet.«
Er ließ sich hierdurch keineswegs außer Fassung bringen und erzählte ihr mit wohlgesetzten Worten, da er, wie gesagt, von Spoleto war, in welcher Pein um ihrer Liebe willen Herr Filiberto lebte, wie sehr er ihr ein treuer Diener sei, und daß sie niemand auf der Welt habe, über den sie mehr verfügen könne als über ihn sowie über alles, was er auf Erden besitze; denn er sei auch reich, einer von den Herren von Virle, und überdies ein ganz schmucker Geselle. Kurz, er wußte so gut zu sprechen und sie so zu bearbeiten, daß sie es zufrieden war, daß ihr Liebhaber heimlich komme, um mit ihr zu sprechen, und ihm Ort und Zeit bezeichnete.
Als Herr Filiberto diese gute Nachricht erhielt, war er äußerst befriedigt über den Spoletiner und begab sich nach der getroffenen Verabredung zu dem Zwiegespräch mit Frau Zilia in ein Zimmer im Erdgeschoß ihres Hauses. Dort angelangt, fand er die Frau, die ihn schon erwartete und eine ihrer Dienerinnen bei sich hatte. Das Gemach war ziemlich groß, und die beiden konnten sich leicht unterreden, ohne daß die Magd etwas davon hören mußte. Herr Filiberto fing also an, mit den zierlichsten Worten, die er wußte, der Frau seine leidenschaftliche Liebe vorzutragen und ihr zu schildern, wie viel er um dieser Liebe zu ihr willen erduldet habe, wobei er sie auf das eindringlichste bat, ihn zu erhören und Mitleid mit ihm zu haben, und sie versicherte, daß er in Ewigkeit ihr Diener bleiben wolle. Soviel er aber auch zu sprechen wußte, konnte er doch nichts anderes von ihr herausbringen, als sie sei Witwe, und es stehe ihr nicht wohl an, dergleichen Dingen nachzugeben; sie wolle all ihre Sorge auf die Erziehung ihres Sohnes wenden; ihm werde es nicht an andern, schöneren Frauen als sie fehlen. Nach vielem Hinundwiderreden sah der arme Verliebte, daß er sich vergeblich abmühe, und daß sie auf keine Weise geneigt sei, ihn zufriedenzustellen. Er war darüber in den Tod betrübt und sagte ihr mit Tränen in den Augen auf eine Erbarmen erregende Weise: »Da Ihr, gnädige Frau, mir durchaus alle Hoffnung nehmt, daß Ihr mich als Euern Diener anerkennen werdet, und da ich in so großer Traurigkeit von Euch scheiden muß, ja, da sich mir vielleicht niemals wieder Gelegenheit bietet, mit Euch zu sprechen, so gebt mir wenigstens zum Schluß bei meinem Scheiden zum Lohn für all die Liebe, die ich gegen Euch gehegt habe, hege und hegen werde, solange ich lebe, einen einzigen Kuß, den ich, als ich hierherkam, nach Landessitte von Euch in Empfang nehmen wollte, den Ihr aber, unserem löblichen Brauch zuwider, mir
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