Italienische Novellen, Band 2
den Anfang gemacht habe, und ihm versprach, zu seiner Wiederherstellung alles mögliche zu tun. Messer Filiberto dankte dem König mit stummen Gebärden demütig für alle Gnade und erhob die Hand zum Zeichen, daß er nicht ermangeln werde, ihm getreulich zu dienen.
Eines Tages trug es sich zu, daß beim Übergang über eine Brücke ein heftiges Scharmützel zwischen den Franzosen und ihren Feinden entstand, und da man mit den Trompeten Alarm blies und der Lärm unter den Soldaten immer größer wurde, ging der König zur Ermutigung der Seinigen selbst hin. Talbot, der englische Feldherr, führte die Seinen; er stand selbst auf der Brücke und hatte sie fast ganz besetzt. Der König ermunterte die Seinigen und sandte bald diesen, bald jenen zu Hilfe, als der tapfere, mannhafte Messer Filiberto gerüstet auf einem starken Renner herbeieilte. Beim ersten Anlauf sprengte er mit eingelegter Lanze so mutig auf Talbot los, daß er ihn und sein Pferd zu Boden warf. Er nahm dann einen starken und gewichtigen Streitkolben zur Hand, stürzte sich damit unter die Engländer, schlug wütend um sich und tat keinen Hieb umsonst, sondern tötete oder schmetterte mit jedem wenigstens einen Engländer zu Boden, so daß die Feinde genötigt waren, die Brücke zu verlassen und ohne Ordnung zu fliehen. Talbot wurde von den Seinen aufs Pferd gehoben und entkam mit Mühe. Dieser Sieg hatte die Folge, daß fast die ganze Normandie dem König Karl in die Hände fiel. Als daher der gute König sah, wie viel ihm Messer Filiberto genützt hatte, pries er ihn auf sehr ehrenvolle Weise in Gegenwart aller Barone seines Hofes und schenkte ihm einige Burgen nebst der Führung von hundert Bewaffneten, vergrößerte ihm auch bedeutend sein Gehalt und gab ihm durch tägliche Begünstigungen seine Huld zu erkennen.
Nach Beendigung dieses Krieges stellte der König in Rouen ein festliches Kampfspiel an, bei dem sich die Blüte der französischen Ritterschaft vereinigte und Messer Filiberto den ersten Preis gewann. Der König, der ihn sehr liebte und heftig wünschte, daß er geheilt werde, um mit ihm sprechen zu können, ließ in allen seinen Provinzen bekanntmachen, er habe einen Edelmann, der über Nacht stumm geworden sei, und finde sich jemand, der ihn wiederherstellen könne, so solle derselbe sogleich zehntausend Franken erhalten. Die königliche Bekanntmachung verbreitete sich nicht nur durch ganz Frankreich, sondern kam auch nach Italien, und die Habsucht trieb in der Tat viele Italiener und Franzosen an, einen Versuch zu wagen. Aber freilich war die Bemühung der Ärzte umsonst: denn der verstellte Stumme ließ sich nicht zum Sprechen bewegen. Der König wurde endlich unwillig, daß kein Arzt sich fand, der ihn zu heilen wußte, ungeachtet daß er sie den ganzen Tag scharenweise herbeikommen sah, sowohl eigentliche Arzte, als auch andere, die durch ihre Versuche ihn zu heilen gedachten; er merkte, daß sie mehr durch den Reiz des Gewinns als durch ihre Gelehrsamkeit oder die Hoffnung, ihm Heilung zu bringen, herbeigelockt seien. Daher ließ er aufs neue kundmachen, daß, wer Monsignor Filiberto heilen wolle, sich eine Frist nehme, wie sie ihm zur Kur geeignet scheine, und wenn er sie glücklich vollbracht habe, die zehntausend Franken nebst vielen andern Geschenken erhalten solle, wogegen er, wenn sie ihm fehlschlage und er nicht selbst zehntausend Franken entrichten könne, seines Kopfes verlustig gehe. Nachdem dieser strenge Beschluß allgemein verbreitet worden war, verlor sich die Zahl der Ärzte mit einem Male, wiewohl doch noch einige sich von eitler Hoffnung verblenden ließen, die große Gefahr zu bestehen; und weil sie ihn nicht heilen konnten, wurden einige verurteilt, die zehntausend Franken zu bezahlen oder den Kopf zu verlieren, und einige andere wurden auf Lebenszeit in den Kerker gesprochen.
Der Ruf dieser Angelegenheit war bereits nach Moncalieri gedrungen, daß Monsignor Filiberto von Virle in großem Ansehen beim König von Frankreich und sehr reich geworden sei. Als nun Madonna Zilia davon hörte, sie, die am besten wußte, weshalb Messer Filiberto nicht sprach, und sah, daß schon zwei Jahre vorüber waren, dachte sie, er schweige nicht sowohl aus Ehrfurcht vor dem geleisteten strengen Schwur, als aus Liebe zu ihr, um ihr sein Wort zu halten. Sie hegte überdies die Meinung, daß diese Liebe zu ihr noch in derselben Inbrunst fortbestehe, die er ihr in Moncalieri dargetan hatte, und beschloß, nach Paris zu gehen, wo sich
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