Italienische Novellen, Band 2
begonnen hatte, gingen sie nicht mehr vertraulich miteinander um wie das erstemal. Dennoch waren sie beide unverdrossen im Dienste des Fräulein Verue. Als eines Tages in größerer Gesellschaft von Simone und seinen Angelegenheiten die Rede war, sagte Gieronimo ziemlich geringschätzig, er wisse nicht, was Turchi in Antwerpen tun könne, als Zwischenhändler werden oder das, was wir in Italien »Sensal« nennen: denn er selbst habe keine Mittel zu einem selbständigen Handel, er besitze weder Geld noch Kredit. Diese Äußerung schürte in hohem Maße den Haß, von dem Turchi gegen Deodati entbrannt war, und machte es wie die vom Blasebalg angefachten Kohlen, die, wenn Wasser auf sie gespritzt wird, sich nur noch mehr entzünden und größere Kraft und Leben gewinnen. So erwachte also Turchis Haß gegen Gieronimo von neuem und wurde viel größer und bitterer, wiewohl er sich geheimhielt. Einer von den Weisen Griechenlands hat den Ausspruch getan: wenn man in das menschliche Herz blicken und sehen könnte, was für Wahnsinn und Aberwitz dasselbe durchzieht, wenn man zornig, ganz der Rachelust hingegeben und voll Unwillens ist, so würde man ein heißes Gefäß sehen wie einen vollen Topf, wenn ein großes Feuer darunter angezündet ist und das Wasser darin in glühenden Kreisen schäumt und wallt. So brauste es in Turchis Gemüt: bald kam ihm dieser, bald jener Gedanke; immer quälte es ihn; alle seine Sinne zielten nur auf Tod und Untergang Deodatis. Doch verbarg er als ein echter zweiter Simon seine bösen und in Wut alles Maß überschreitenden Pläne zu seinem Nachteil und sagte, Gieronimo täusche sich, er sei Manns genug, um für sich Geschäfte zu machen.
Beide fuhren beharrlich fort, nebst vielen andern, Fräulein Verue den Hof zu machen; allmählich fingen sie an, sich zu beruhigen, und es schien, als seien sie wieder gute Freunde geworden. Dieses Fräulein Verue begünstigte, wie man deutlich sah, Turchis Bewerbungen vor andern, sei es, daß er ihr gefiel, oder weil er besonders reichlich ihr schenkte, was er hatte; denn er machte hier in der Tat großen Aufwand und weit mehr, als sein Stand mit sich brachte. Einige glaubten, Simone habe ihre letzte Gunst genossen, wie denn die Menschen immer geeigneter sind, das Böse zu glauben, als das Gute. Soll ich sagen, was ich davon hörte, als ich in Antwerpen war, so rührten alle diese Verdächtigungen von Neidern und Verleumdern her. Was nun auch der Grund sein mochte, Turchi wußte es so geschickt anzufangen mit Worten und Handlungen und verstand so gut zu schwatzen, daß er das Fräulein überredete und dahin brachte, einen Teil ihrer Besitzungen zu verkaufen und das Geld auf Gewinn in der Bank anzulegen, nachdem er ihr mit eindringlichen Gründen den großen Vorteil nachgewiesen hatte, der daraus erwachsen würde. Sie folgte seinem Rate, verkaufte von ihrer Habe im Wert von vier- bis fünftausend Talern und händigte den baren Erlös dem Turchi ein. Sobald Simone diese ansehnliche Summe erhalten hatte, assoziierte er sich mit Vicenzo Castrucci aus Lucca und fing ein Handelsgeschäft an. Um aber dem Dienste des Fräulein Verue um so ungestörter leben zu können, überließ er die Sorge für die Bank seinem Neffen Gioseffo Turchi.
Die besagte Handelsgenossenschaft dauerte etwa drei Jahre und löste sich auf durch Castruccis Tod. Unterdessen war Simone, wie es schien, wieder in Deodatis Freundschaft vollständig eingetreten, und nach einiger Zeit bat ihn Turchi, er möchte ihm den Gefallen tun, ihm dreitausend Taler nach Spanien zu leihen. Gieronimo, der sorglos und, wie man sagt, in den Tag hinein lebte, tat es gerne, und zur festgesetzten Zeit erhielt er von ihm die schuldige Zahlung. Unterdessen vergesellte sich Turchi mit den Gigli aus Lucca, die in Antwerpen Bank hielten, und Gieronimo erwartete von einem Tage zum andern die Frau, die er genommen hatte (es war eine Tochter von Gian Bernardini, einem Edelmann aus Lucca); dessenungeachtet besuchte er noch immer Fräulein Verue, die ihn sehr freundlich aufnahm und als Freund, nicht als Diener behandelte, seit sie gehört hatte, daß er eine Frau genommen.
Fräulein Verue bekam nun, ich weiß nicht wie, einigen Verdacht, es möchte mit Turchis Angelegenheiten nicht zum besten gehen, da sie sah, wie nachlässig er seine Handelschaft besorgte; darum fürchtete sie auch für das Geld, das sie ihm eingehändigt hatte, um es arbeiten zu lassen. Sie war von einigen Lucchesen und andern gewarnt worden und
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