Italienische Novellen, Band 2
bin ich nicht sehr neugierig gewesen zu erforschen; denn das sind Dinge, die im geheimen geschehen.
Es mögen jetzt etwa vierzehn bis fünfzehn Jahre sein, da stand in Antwerpen durch Adel, ehrbaren Reichtum und ungezwungenes feines Benehmen Fräulein Maria Verue, aus einer der ersten Familien der Stadt, in größter Achtung und steht noch darin, obwohl sie jetzt in reiferem Alter und noch unverheiratet ist. Wegen ihrer Schönheit, ihrer angenehmen heitern Unterhaltungsgabe und anderer guten Eigenschaften hatte sie mehr Diener und Liebhaber als alle andern Jungfrauen Antwerpens; denn Flamen, Deutsche, Franzosen, Engländer, Italiener, Spanier und von allen möglichen andern Völkern Jünglinge, die nach Antwerpen kamen, machten ihr sämtlich den Hof und waren ihre erklärten Diener; ihr Haus gewann dadurch das Ansehen wie das eines Befehlshabers der Stadt, so strömten beständig ihre Liebhaber herzu. Filibert, Prinz von Oranien, welcher General des Kaisers in Italien war und bei der Belagerung von Florenz starb, war einer ihrer Verehrer, und es herrschte einige Zeit lang allgemein die Meinung, daß er sie zur Frau nehmen werde.
Um diese Zeit nun war in Antwerpen ein Lucchese Simone Turchi, Geschäftsführer des berühmten Handelshauses der Buonvisi in Lucca. Er machte die Bekanntschaft von Fräulein Maria Verue vor etwa vierzehn Jahren und begann mit solcher Emsigkeit ihr den Hof zu machen und ihr zu dienen, daß er niemals von ihr wegkam und jedes andere Geschäft beiseite ließ; daher es denn auch den Anschein gewann, Fräulein Verue schätze ihn sehr hoch. Sie hatte in einem ihrer Gemächer, in dem sie die Huldigungen ihrer Verehrer annahm, die nach dem Leben gezeichneten Bildnisse aller derer aufgehängt, die ihr ihre Dienste widmeten. So schickte ihr jeder, sobald er anfing, ihr den Hof zu machen, sein Konterfei von der Hand eines edeln Malers, und sie ließ es gleich in dem Saale an die Wand hängen. Sie hatte deren über vierzig. Vier Jahre, nachdem Simone Turchi in Antwerpen angekommen war, begab sich auch der Lucchese Gieronimo Deodati mit einer ansehnlichen Summe Geldes dahin, ließ sich daselbst nieder, um Handelsgeschäfte zu treiben, und trat in wenigen Tagen in die Zahl der Diener des Fräulein Verue ein. Er knüpfte ein enges Verhältnis mit Turchi an, der, wie gesagt, nicht sehr eifrig seinen Geschäften für die Buonvisi oblag. Wenn Simone Geld brauchte, so bat er den Deodati darum, der ihm in mehreren Absätzen zusammen etwa dreitausend Taler lieh. Die Buonvisi erfuhren die schlechte Wirtschaft, die Turchi in ihren Angelegenheiten machte, nahmen ihm daher die Rechnung und das ganze Geschäft ab und wollten seine Dienste nicht länger verwenden. Da nun Turchi für sich selbst keine Mittel besaß, um einen Handel zu treiben, kehrte er nach Lucca zurück, um sich an einen Kaufmann anzulehnen, der in Antwerpen Geschäfte machte.
Um dieselbe Zeit begab es sich, daß auch Deodati nach Lucca zurückkehrte, um mit seinen Brüdern über die von ihm gemachten Geschäfte zu verhandeln. Er zeigte ihnen seine Rechnungen, und darin fand sich Simone Turchi als sein Schuldner für etwa dreitausend Taler. Gieronimo ward deshalb von seinen Brüdern angehalten, sich von ihm unverweilt bezahlen zu lassen. Deodati suchte Simone auf und sagte ihm, wie er die Rechnung mit seinen Brüdern nicht ins reine bringen könne, wenn er ihm nicht die Schuld mit dem ihm den in seiner Hand befindlichen Quittungen zufolge in Antwerpen geliehenen Gelde bezahle. Turchi entschuldigte sich, so gut er konnte, wich der Zahlung aus und verschob sie von einem Tage zum andern. Die Brüder trieben andererseits den Gieronimo unaufhörlich an, nicht auf das Geschwätz des Turchi zu achten, und die Sache kam so weit, daß Gieronimo die Schuldscheine vor Gericht brachte und Simone von den Häschern auf dem Marktplatz von Lucca festgenommen und ins Gefängnis gebracht wurde. Er mußte also, wenn er aus dem Gefängnis entlassen werden wollte, die Schuld befriedigen, die er gegen Deodati hatte. Er aber hielt sich dadurch für schwer beleidigt, und es entstand in seinem Herzen ein wilder, unauslöschlicher Haß gegen Gieronimo, wiewohl er ihn äußerlich sich nicht anmerken ließ. Er hörte aber doch nicht auf, beständig nachzuspüren und auf Mittel und Wege zu sinnen, um sich zum unendlichen Schaden des Deodati zu rächen.
Unterdessen kehrten beide, aber nicht mehr miteinander, nach Antwerpen zurück, und da die Feindschaft schon unter ihnen
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