Italienische Novellen, Band 2
dem Gebrauche gemäß vollzogen; alles überließ sich der Freude und Lust, und in der folgenden Nacht vollzogen die Neuvermählten die heilige Ehe. Sie lebten fortan immer glücklich miteinander und erinnerten sich des öftern mit Vergnügen ihres vergangenen Leides. Doch war die blonde Ginevra in der Folge fast unfähig zu begreifen, wie sie habe so streng, halsstarrig und grausam gegen ihren Geliebten sein können, wie sie wußte, daß sie gewesen war; und jedesmal, wenn sie mit Herrn Roderico auf ihre Vergangenheit zu sprechen kam, was oft geschah, erging sie sich gegen ihn in Danksagungen für die unendlichen Verpflichtungen, die sie gegen ihn zu haben gestand. Aber freilich weiß ich auch nicht, wenn dieses Mädchen einem Peruginer unter die Hände gekommen wäre, ob dieser die Geduld gehabt hätte, die Herr Roderico bei ihrem unbändigen Eigensinne bewährte.
Die Liebe des Verbannten
Gerade in dem Jahre, wo Massimigliano Sforza wegen seines schlechten Regiments elendiglich die Herrschaft von Mailand verlor, wurde nach der bekannten Niederlage durch die Schweizer zwischen San Donato und Melegnano die ghibellinische Partei fast aus dem ganzen Staate vertrieben auf den Rat und das Anstiften des Herrn Gian Giacomo Triulzo, dessen einziges Bestreben darauf gerichtet war, dieselbe niederzudrücken. Darum war in jener Zeit für die Flüchtlinge der Lombardei Mantua der sicherste Hafen und ein zuverlässiger Zufluchtsort, woselbst der Herr Markgraf Francesco Gonzaga, ein sehr menschenfreundlicher Mann, viele aufnahm. Und wiewohl er dem Allerchristlichsten König Franz, dem ersten des Namens, den Herrn Federico, seinen Erstgeborenen, als Geisel überliefert hatte, wollte er dennoch, daß Mantua jedem, der dahin gelange, eine freie Stätte bleibe. Darum wohnte denn eine große Zahl der Ausgewanderten daselbst in der Erwartung, durch den Arm des Kaisers Maximilian wieder in ihre Vaterstadt zurückgebracht zu werden. Aber das Unternehmen gelang nicht: denn Maximilian war zwar mit einem schönen Heere bis vor die Tore von Mailand gekommen; aber als man hoffte, er werde den Herzog von Bourbon Karl von Frankreich, der im Auftrage des Allerchristlichsten Königs daselbst lag, daraus vertreiben, ließ er plötzlich das Lager aufheben und floh mit eiligen Schritten nach Deutschland hinweg. So hatten denn die Verbannten die Hoffnung verloren, ihre Heimat wiederzugewinnen, und die einen von ihnen suchten mittelst der Gnade des Königs Franz, der sich auch gegen manche wirklich huldvoll erwies, die Heimkehr zu erwirken; andere gingen nach Trento unter den Schutz Franz Sforzas, Herzogs von Bari, andere nach Rom, wieder andere in das Königreich Neapel und sonstwohin. Einige kehrten nach Mantua zurück, worunter Messer Cornelio (denn so will ich den Helden der Erzählung, einen sehr vornehmen und ausgezeichneten Edelmann, nicht ohne Grund nennen) und ich, und in Mantua ließen wir uns nieder.
Der junge Mann war vierundzwanzig Jahre alt, groß, wohlgestaltet und sehr schön, rüstig von Person, mit vielen Vorzügen begabt und mit Glücksgütern reichlichst versehen. Seine Mutter war in Mailand geblieben, hatte mit Geschick ihr Erbteil gerettet und schickte ihm zu, was er bedurfte. So hielt er denn in Mantua ein Haus, das mit Kleidern, Pferden und Dienerschaft vortrefflich ausgestattet war. Vor seinem Abgange von Mailand hatte er sich, wie das bei jungen Leuten zu gehen pflegt, in eine kaum vermählte sehr vornehme und schöne junge Frau verliebt, die ich gleichfalls, um Ärgernis zu vermeiden, nicht geradezu nennen zu dürfen glaube, weshalb wir sie Camilla heißen wollen. Der junge Mann war ein großer Anhänger der Sforzesken und hatte sich sehr für das Kommen des Kaisers Maximilian verwendet, um seine Heimat wiederzugewinnen. Sodann stand er fortwährend im engsten Verkehr mit dem Herzog Francesco Sforza, ging oft nach Trento und versäumte nicht zu zetteln, was er konnte, damit der Sforzische Herzog nach Mailand zurückkäme. Aber bei all diesen Unterhandlungen, Zettelungen und Bemühungen konnte er sich doch seine Dame nicht aus dem Sinne schlagen, an die er Tag und Nacht dachte; und noch viel mehr tat es ihm leid, sie nicht sehen und bei ihr sein zu können, als aus Mailand verbannt zu sein. Diese Camilla, welche Cornelio liebte, war noch sehr jung – sie hatte nämlich das einundzwanzigste Jahr noch nicht erreicht – und galt unter Mailands Schönen für die schönste. Und wiewohl die Liebe zwischen ihr und Cornelio noch
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