Italienische Novellen, Band 2
sich zumeist über ihr entladen, da sie sich nicht anders zu raten wußte, ein Fenster, das auf die Straße ging, und da es nicht hoch war, sprang sie hinaus, was auch ganz bequem und ohne alle Verletzung vonstatten ging. Sie machte sich daher auf und eilte von dannen. Kaum war sie jedoch einige Schritte gegangen, so suchte sie Schutz in einem Nachbarhaus, das eben offenstand; denn sie meinte, der arme Schelm, ihr Mann, sei ihr immer auf den Fersen. Sie wußte sonst nirgends hin und suchte nur, sich so tief innen als möglich zu verstecken. Da kam sie zufällig an die Tür eines Zimmers, in dem ein gar artiger und heiterer Jüngling allein schlief, der Galeazzo Garimberti hieß, schon seit mehreren Monaten ihr den Hof gemacht und auf alle Weise ihre Neigung für ihn zu entzünden gesucht hatte, ohne je zu einem Ziele zu gelangen und wieder einigen Frieden zu erreichen. Es war ihm, als höre er Tritte wie von einem, welcher eilig läuft; er stand schnell auf, um zu sehen, was es sei, und kaum hatte er die Türe des Zimmers geöffnet, als das junge Weib voll Angst und zitternd sich ihm in die Arme warf. Der Jüngling erkannte sie gleich, und da er sie so im Hemd viel schöner sah, als er sich hatte vorstellen können, und sich nicht denken konnte, was das heiße, nahm er sie, legte sie sanft auf das Bett und fragte sie mehrmals umsonst nach der Ursache ihres Kommens. Er meinte daher, es sei Zeit, sie mit etwas anderem als mit Worten zu trösten, und da seine Glücksfahne so hoch stand, setzte er sich, ohne ein Wörtchen drüber zu verlieren, in den Besitz dessen, was soeben dem Mantuaner streitig gemacht worden war.
So sehr Ghedino mit seinem Stiefvater im Feuer war, bemerkte er doch, was sein Weib tat; es faßte ihn daher das größte Mitleid mit ihr, und ohne weiter Zeit zu verlieren, eilte er hinaus, um zu sehen, was aus ihr geworden sei. Da er sie aber nicht auf der Straße fand, auch keine andere Tür offen sah als die, in die sie wirklich eingetreten war, folgte er ihr dahin nach, um zu erkunden, ob sie hier hereingekommen sei; denn er bildete sich wohl ein, daß sie so barfuß, wie sie war, und im Hemd nicht weit geflohen sein könne. Wie sie kam er auch an das Zimmer, fand die Tür unverschlossen, trat ein und fand das junge Paar beisammen. Ghedino war von diesem Anblick so betäubt, daß er nicht wußte, ob er träume oder wache. Da er aber sein Unglück so Schlag auf Schlag kommen und sich so unersetzlichen Schaden zufügen sah, wo er sich am leichtesten verletzlich glaubte, wußte er gar nicht, was er anfangen solle, und floh zurück; denn er fürchtete, wenn er schrie oder der Sache das geringste Hindernis in den Weg legte, könnte nur ein noch größeres Ärgernis daraus erwachsen, da er jetzt schon, indem er den ersten verscheucht, dem zweiten den Weg so leicht geöffnet habe. Er dachte also, er wolle unter keiner Bedingung noch den dritten erwarten, ließ sie demnach allein und lief, soweit ihn seine Beine trugen.
Garimberti aber hatte auf dem zarten Erdreich seine erste Probe vollendet, und da er nicht zum zweitenmal in seiner Ackerarbeit gestört werden wollte, schloß er die Zimmertür, umarmte das junge Weib und bat und beschwor sie so lange, bis sie ihm zu seiner größten Ergötzlichkeit mitteilte, wie es zugegangen sei, daß sie um diese Stunde und in solchem Aufzug sich zu ihm begeben habe. Allmählich kam sie wieder zur Ruhe; sie lachten, scherzten und schalten auf die Kardätschen, Flachskanten, Hecheln und alle andern Werkzeuge des Mannes und machten in freier beiderseitiger Einstimmung noch mehrere Wettläufe zusammen.
Ein paar Tage darauf leitete Garimberti es ein, daß alle sich wieder versöhnten und Frieden schlossen, nachdem er zuvor mit dem jungen Weibe die Abrede getroffen hatte, wie sie sonst zusammenkommen könnten.
Giustiniano Nelli
1490–?
Giulio und Aurelios Frau
Es sind erst wenige Monate, daß in unserem Siena ein Jüngling von achtzehn bis neunzehn Jahren, sehr schöner Gestalt, edlem Blut und mit preiswürdigen Sitten geschmückt, namens Giulio, sich in eine sehr schöne, gewandte und über die Maßen reizende, nicht weniger sittsame als liebenswürdige junge Frau heftig zu verlieben anfing. Von dieser Liebe bewogen unterließ er nichts, was er meinte, daß ihr gefalle, oder daß es ihm dienlich sein könne, um ihr Wohlgefallen zu erlangen. Diese Liebschaft war seine einzige Beschäftigung, wie das häufig bei jungen Leuten geht; er widmete sich dem Lautenschlagen,
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