Italienische Novellen, Band 2
rechtschaffenen Männern Vergnügen zu verschaffen, sowohl wie ich jung war, als auch jetzt, immer so weit als die Sittsamkeit zuließ. Aber so wahr der liebe Gott mir meine zwei Töchter erhalten möge, die der Stab meines Alters sind, ich habe solche Dinge nie gern getan. Und jetzund will ich die wenige Zeit, die mir noch zu leben übrig bleibt, dazu anwenden, nach Ablaß zu gehen, Kirchen zu besuchen und Gott zu dienen. Gott weiß, daß ich vielmals um dergleichen angegangen worden bin, und um meine eigenen Töchter, denen ich aber niemals ein Wörtchen davon sagen mochte. Allerdings, wenn sie von selber sich einmal einen Freund erbeutet haben, bald um einen langen Schlafrock, bald um ein Paar Ärmel zu erhalten, da habe ich sie machen lassen, denn ich meinesteils will nicht in der andern Welt darüber Rechenschaft zu geben auf mich nehmen. Und ich sage dir, ich glaube, ich habe einen so guten Willen als nur irgendeine meinesgleichen. Du sagst mir, ob ich Aurelio und seine Frau kenne. Ei, welche Frau oder Mädchen von zehn Jahren und drüber gibt es in dieser Stadt, verheiratete oder unverheiratete, die ich nicht kenne? Es gibt wenige Häuser von Bürgern, wo ich nicht bekannt wäre und aus- und einginge wegen der Spinnerei, die ich treibe; denn ich mag nicht, daß mir irgend sonst eine die Spindel aus der Hand nehme. Ich flicke Hemden für Studenten, Kapuzen für Mönche, warte Nonnen auf; in der Universität und in der Stadt ist kein Student, der mich nicht kennt, bei Sankt Franz, Sankt Dominikus und Sankt Augustin kein Mönch, in dessen Zelle ich nicht tausendmal gewesen bin; von den Nonnen sage ich nichts: denn ohne Dispens habe ich Einlaß in alle Klöster, mit Gottes Hilfe bin ich nunmehr überall bekannt. Wisse überdies, daß deine Mutter mich so lieb gehabt hat, daß ich's gar nicht sagen kann; und alle Geschenke, die sie deiner Schwester Ginevra gegeben, habe ich mit diesen Händen gesponnen. O wieviel Gutes habe ich von jener Frau genossen, Gott habe sie selig! Aber seit sie tot ist, da ihr keine Frauen mehr im Hause habt, mochte ich nicht mehr hinkommen, und es wundert mich nicht, daß du dich daran nicht erinnerst oder darauf besinnst, denn vor drei Jahren warst du noch ein Knabe, – jetzt bist du ein schöner Jüngling geworden. Ei wie groß bist du! Du gleichst deinem Großvater: der war der schönste junge Mann in Siena. Gott segne dich, mein Sohn! Ja, ich wäre sehr ungerecht und müßte die empfangenen Wohltaten vergessen haben, wenn ich dir nicht dienen möchte, soweit ich kann. Wiewohl es nicht mein Gewerbe ist, – dir zuliebe will ich mein Leben daransetzen, und ich sage dir sogar, daß, wenn du mich selbst um meine eigenen Töchter angegangen wärest, hätte ich kaum nein sagen können, so groß ist die Neigung und Liebe, die ich für dein Haus gehegt habe und noch hege.«
Dieser Schluß Bondas hatte Giulio ganz erheitert, während er bisher sehr zweifelhaft gewesen war, bei seiner Unkenntnis solcher Leute, welche Keuschheit predigen und denen doch kein Verbrechen zu groß scheint, wenn es überhaupt ein Verbrechen heißen kann, verliebte junge Leute zu unterstützen. Ihre Reden gaben ihm also Mut, und er eröffnete ihr ausführlicher seine Gesinnung; nachdem sie hiernach verabredet hatte, daß sie am folgenden Tage sie aufsuchen solle, nahm er von ihr Abschied.
Am andern Tage, kurz nach der Vesper, als Aurelio nicht zu Hause war, verfügte sich Bonda zu Isabella, trat ins Haus, erkundigte sich nach der Hausfrau und ging weiter in den Saal, wo bei ihrer Ankunft Isabella, die sie nicht kannte, nicht wenig verwundert war, daß sie so ohne Umstände ihr ins Haus komme. Daher fragte sie, was sie suche. Bonda hatte feinen Faden zu Handtüchern zu verkaufen bei sich und antwortete, man habe ihr gesagt, sie bedürfe welchen. Damit zog sie aus dem Ärmel eine kleine Schachtel mit etwa vier Lot Faden zu einem Gulden das Lot hervor, zeigte es ihr, fing ein langes Gespräch darüber an, setzte ihr auseinander, wie nützlich es sei, solche Handtücher zu machen, erzählte ihr, wie viele sie solche verkauft habe, flocht dann ein, wie sie mit ihrer Mutter befreundet gewesen sei, welche Gefälligkeiten sie von ihr empfangen habe, und viel dergleichen Zeug. Darauf fügte sie hinzu: »O welch ein trauriges Leben ist das doch heutzutage! Wie keck sind die jungen Leute jetziger Zeit! Während ich da in Euer Haus ging, kam mir ein junger Mensch entgegen, den ich nur dem Namen nach kenne, er heißt Giulio;
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