Italienische Novellen, Band 2
Aurelios Haus zuführte. Als käme er zum Tore herein, trat er in Isabellas Haus und ging hinauf in einen Saal, ohne zu rufen. Dort angelangt fing Giulio fast weinend also zum Hausherrn zu sprechen an: »Ich flehe Euch an, edler Herr, gewährt mir Sicherheit in Eurem Hause!«
Aurelio, in hohem Grade erstaunt, sprach also: »Madonna, fürchtet Euch nicht! Was habt Ihr?«
Die Alte, die ihn begleitete, übernahm das Wort, damit Giulio nicht erkannt werde:
»Edler Herr«, sagte sie, »wenngleich diese Frau der Tracht nach eine Bäuerin zu sein scheint wie ich, so ist sie dennoch von Adel und die Gemahlin von... (Hier nannte sie einen unserer Mitbürger, der seit ein paar Jahren von hier weggewesen war.) Wie Ihr wißt, ist ihr Gatte auswärts und wünschte, sie solle ebenfalls auf ihre Güter außerhalb der Stadt kommen. Da nun aber auf Befehl der Achte angeordnet worden ist, daß kein Bürger oder Bürgerin die Stadt verlasse ist sie, um ihrem Mann zu gehorchen, auf den Einfall gekommen, diese Kleidung anzulegen, um unerkannt zu bleiben. Sobald wir aber am Tore waren, sei es, daß sie zu verlegen einherging oder was für ein Unstern sonst über uns waltete, die Wachen fingen an, sie so fest ins Auge zu fassen, daß sie gut merkten, daß sie nicht vom Lande sei. Ja, einer von ihnen sagte zu ihr: ›Madonna, kehrt nur um und gebt Euer Werg heim! Heut dürft Ihr es nicht zum Spinnen tragen. Wenn Ihr aber bei mir bleiben wollt, so will ich Euch nicht Werg, sondern Flachs zu spinnen geben. Wenn ich solche Pächterinnen hätte, die behielte ich in Siena und ließe sie nicht auf dem Lande; meiner Treu, Euer Gesicht ist nicht derart, als solltet Ihr bei Bauern schlafen. Darum bleibt Ihr besser in der Stadt.‹
Wir antworteten nichts darauf, damit sie uns nicht besser zu erkennen suchen sollten, kehrten eiligst um und sind nun, ohne umzusehen, ob man uns nacheilt, hier in Euer Haus geflüchtet, damit sie uns nicht erkennen, wenn wir nach Hause gegangen wären und sie uns nachgeschickt und gesehen hätten, wohin wir gehen. Denn sonst hätten sie die arme Frau zu tausend Dukaten verurteilt, wie die Verordnung lautet. Wenn wir nun auch hier hereingekommen sind, könnt Ihr ja sagen, wir seien durch die Hintertür wieder hinaus, und Ihr hättet uns nicht gesehen; und es ist ja klar, daß Ihr keine solche Frauen bei Euch habt, die veranlaßt wären, in dieser Weise Siena zu verlassen.«
Während die Alte dies sprach, stand Giulio immer mit gesenktem Haupte da, tat, als weinte er, und hielt bald diese, bald die andere Hand vors Gesicht, um nicht erkannt zu werden. Aurelio, der ein Ehrenmann war, ließ sich von dieser Erzählung zu großem Mitleid rühren und befahl sogleich dem Burschen, die Haustür zu schließen und niemandem ohne seine Erlaubnis zu öffnen.
»Madonna«, sagte er, »es tut mir sehr leid, daß Ihr auf so unangenehme Weise berührt worden seid; hier aber dürft Ihr ganz ohne Besorgnis sein. Ihr könnt so lange hierbleiben, als wenn Ihr meine eigene Schwester wäret, und ich weiß niemand, der Euch hier aufsuchen würde. Ihr dürft daher nicht mehr weinen; niemand kennt Euch; betrachtet Euch hier ganz als zu Hause! Isabella wird nicht ermangeln, Euch gute Gesellschaft zu leisten.« Er wies hierauf seine Gattin an, in die Kammer zu gehen, ihn mitzunehmen und ihm alle mögliche Bequemlichkeit zu verschaffen, tröstete überdies die vermeintliche Frau, so gut er konnte, und ging sodann hinweg und seinen Geschäften nach.
Isabella trat mit der neugebackenen Frau und mit der Alten in die Kammer und bat sie, so gut sie konnte, sich es nicht mehr leid sein zu lassen; sie sei jetzt an einem Orte, wo sie sich sicher nennen könne. Die gute Alte wandte sich, als es ihr Zeit schien, zu Isabella und zu ihrer Herrin und sagte: »Madonna, es ist vielleicht besser, wenn ich an das Kloster der heiligen Maria Magdalena gehe, um Eurer Schwester mitzuteilen, wie die Sache ausgegangen ist, und ihr zu sagen, daß Ihr heut abend spät oder morgen in aller Frühe zu ihr kommt, da Ihr nicht mehr heimkehren wollt. Ich bringe Euch dann Eure Kleider her, damit die andern Nonnen Euch nicht in dieser Tracht sehen. Euch, Madonna Isabella, empfehle ich, so sehr ich kann, meine Gebieterin.«
Damit nahm sie Abschied und verließ das Haus. Isabella war nun mit der angeblichen Frau allein und fing an, mit ihr in aller Einfalt zu plaudern. Giulio antwortete nichts, stand auf und ging an die Tür, um sie zu schließen. Er nahm Isabella bei der Hand,
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