Italienische Novellen, Band 2
riß sich das Tuch vom Kopfe, stand nun in einer seidenen Mütze da und gab sich zu erkennen. Sobald sie dies sah, war sie wie tot vor starrem Erstaunen und wollte anfangen zu schreien. Giulio aber sagte zu ihr: »Madonna, schreit nicht! Ich bin nicht hier, um Euch irgend etwas Unangenehmes zuzufügen. Setzt nicht mit einem Male mein Leben und Eure Ehre in Gefahr, wiewohl ich mir's zum Ruhm anrechnete, um Eure Liebe zu sterben. Aber nur um Euch täte es mir leid; denn wenn ich hier gefunden werde, wer wird annehmen, daß ich ohne Anordnung von Euch hierhergekommen sei? Und je mehr Ihr Euch hierüber entschuldigen würdet, um so mehr würdet Ihr Euch anklagen. Da es nun so ist, so laßt es Euch gefallen, freundlich mit mir zu reden!«
Isabella suchte ihm fortwährend aus den Händen zu kommen und ihm zu entfliehen; aber sie konnte nicht, denn er hielt sie fest. Da sagte sie weinend: »Ha, treuloser Verräter, wie hast du jemals die Keckheit gehabt, mich auf diese Art zu täuschen, wenn du mich so sehr liebst, wie du sagst? Jetzt weiß ich gewiß, daß du mich niemals geliebt hast, da du dich dazu hergibst, mir so beschwerlich zu fallen. Sobald ich von dir wegkomme, werde ich mit dem Messer oder mit Gift mein Leben enden, damit du mich nicht andern mit dem Finger zeigst und dich rühmst, du habest mich hintergangen.«
Darauf sprach Giulio, fast mit Tränen in den Augen: »Meine Gebieterin, hätte die Natur mir so viel Verstand gegeben, um Euch meine Gründe auseinanderzusetzen, wie sie mir gerechten Anlaß gegeben hat, Euch zu lieben, so zweifle ich nicht, daß ich mit einem Schlage Euch von solcher Hartnäckigkeit und mich von solcher Pein befreien könnte: denn Ihr habt vollkommen unrecht, Euch über mich zu beklagen; denn wenn ich Euch über alles hebe, so ist es Eure Schuld, wenn es Euch mißfällt: denn Ihr seid über alles schön. Wenn Ihr meint, ich sei betrügerischerweise Euch ins Haus gekommen, so erinnert Euch, daß Ihr selbst es geraten und befohlen habt, daß ich kommen solle, solange Euer Mann zu Hause sei, da Euer Ruf gefährdet worden wäre, wenn ich auf andere Weise hätte kommen wollen. Mögt Ihr nicht den Befehlen Eures Mannes gehorchen, der Euch sagte, Ihr sollt mir in allem, soweit Ihr könnt, gefällig sein? Ich bitte Euch, mein allerliebstes Herz, nehmt mich zu Eurem Diener an und schenkt mir Eure Liebe: denn es ist mir viel angenehmer, zu wissen, daß Ihr mich hebt, oder wenigstens, daß es Euch gefällt, wenn ich Euch hebe, als wenn mir die ganze Welt gehorchte. Und wenn Ihr auch für gut finden solltet, mir den Tod zu geben, – seht, ich bin bereit, Euch zu gehorchen in allem, was Euch recht ist.«
Er umarmte und küßte sie und erwartete schweigend die Antwort. Isabella aber erwiderte nichts und blieb mit gesenktem Gesicht immer seufzend stehen. Giulio setzte daher seine Reden fort und sagte, Küsse unter die Worte mischend, also: »Ach, warum, Madonna, bekümmert Ihr Euch so? Ihr seid nicht die erste und werdet auch die letzte nicht sein. Und glaubt Ihr, wenn Euer Aurelio sich so mit einem schönen Mädchen zusammen sähe, würde er sich so viel besinnen, ob er Euch mißfalle? Glaubt Ihr, andere Frauen machen es nicht ebenso? Ganz sicher! Es gibt keinen andern Unterschied zwischen der Keuschheit der Frauen, als daß manche ihre Liebe geheimzuhalten verstehen. Keuschheit bedeutet weiter nichts als vorsichtig sein. Und weil einige so töricht sind, daß sie ihre Liebschaften nicht geheimzuhalten wissen, werden diese nachher von den Männern für sittenlos gehalten. Uns kann dies nie widerfahren; denn wenn man es nicht erfährt, ist das ebensoviel, als wenn nie etwas gewesen wäre. Und wenn es eine Sünde wäre, wie man sagt, so würden die Gesetze diesem, wie anderem, vorbeugen. Habt Ihr aber je Frauen vor Gericht kommen sehen, weil sie mit ihren Liebhabern zusammen waren? Gewiß niemals. Und wenn je jemand erführe, daß wir hier beisammen gewesen sind, was würde er anderes denken, als daß wir einander genossen haben? Wenn aber niemand es erfährt, wie es niemand erfahren wird, wer kann uns je darüber zur Rede stellen, daß wir gut oder übel getan haben? Ebensowenig wünsche ich, da ich Eure Liebe so sehr schätze, daß es zu jemandes Kunde käme, wie lange wir hier beisammen gewesen sind und daß ich unbefriedigt von Euch geschieden bin; denn jeder würde glauben, daß irgendein unschickliches Wesen oder Ungezogenheit von meiner Seite daran schuld war, weshalb ich von Rechts wegen
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