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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Eltern freuen und ihre ganze Verwandtschaft, wenn sie sehen, wie sie das Schäflein dem Wolfe zur Obhut überantwortet haben! Sag an, du böser Mensch, wenn einer in gleicher Weise gegen dich aufträte, was würdest du von ihm halten? Hast du nicht dieser Tage das ganze Paradies in Aufregung gesetzt, als mir ein Ständchen gebracht wurde? Aber weißt du, was ich dir zu sagen habe? Wenn du dich nicht besser besinnst, so wirst du mich auf Gedanken bringen, die ich bis diesen Augenblick nicht gehabt habe. Ja, ja, du wirst schon das Lachen aufgeben! Sieh nur zu, ich werde dir auffinden, was du suchst. Denn da ich sehe, daß es mir nichts hilft, wenn ich mich gut aufführe, so will ich doch einmal versuchen, ob es mir helfen wird, wenn ich mich schlecht aufführe. Kurz, wer es gut haben will in dieser garstigen verräterischen Welt, der muß Böses tun.«
    Sie begleitete diese letzten Worte mit ein paar Tränchen, die sie durch schnöde Gewalt sich zu entlocken wußte, und stimmte den guten Alten so weich, daß er sie um Verzeihung bat und ihr versprach, nie wieder ein Wort zu jener zu sagen. Aber seine Versprechungen halfen nicht viel, und so verstellt die Tränen waren und der Schluß der Bitten, so verstellt war auch das Mitleid, das sie erregten; denn als nach wenigen Tagen Lavinia zu einer Hochzeit ging, die in der Familie Tobaldos gehalten wurde, und Lucia allein zu Hause ließ, weil sie sich etwas unwohl fühlte, fand sie der kecke Alte irgendwo im Hause eingeschlafen, und ehe sie etwas merkte, fuhr er ihr mit der Hand unter die Röcke, und wie er sie hochhob, um seinen Genuß zu haben, fand er Dinge, die er freilich nicht gesucht hatte. Er war deshalb höchlich verwundert und stand eine Weile ganz verdutzt da. Tausend schlimme Gedanken kreuzten sich in seinem Kopfe, und er befragte sie im barschesten Tone, was denn das heiße. Lucia hatte zwar wegen der vielen Drohungen und der wunderlichen Reden anfänglich einen heftigen Anfall von Schrecken und Angst; da sie aber mit Lavinia schon vor einiger Zeit die Ausrede für einen solchen Fall vorbereitet hatte und wußte, daß jener einfältig genug war, um einen solchen Betrug als Wahrheit hinzunehmen, und daß er nicht so schrecklich in der Tat war, wie er in Worten sich gab, so ließ sie sich nicht irremachen, sondern stellte sich, als weine sie bitterlich, und bat ihn, ihre Gründe anzuhören; und nachdem sie mit etwas freundlicheren Worten von ihm beschwichtigt war, fing sie mit ganz zitternder Stimme und mit zur Erde gehefteten Augen also zu sprechen an: »Wißt, mein Herr, als ich in dieses Haus kam (verwünscht sei die Stunde, wo ich die Füße hereinsetzte, da mir so etwas Garstiges hier widerfahren sollte!), damals war ich nicht, was ich jetzt bin. Denn seit drei Monaten (wehe über mich!) ist mir dies gewachsen. Eines Tages, während ich wusch, fühlte ich heftige Schmerzen; da kam es allmählich und fing an mir zu wachsen, erst ganz klein, dann immer größer, bis es so groß wurde, wie Ihr es seht; und hätte ich nicht dieser Tage an einem Eurer kleinen Neffen etwas Ähnliches bemerkt, so hätte ich es für eine böse Geschwulst gehalten. Ich habe oft einen solchen Ekel, daß ich lieber ich weiß nicht was wollte, und ich schämte mich so sehr und schäme mich noch jetzt, daß ich nie gewagt habe, jemandem ein Wort davon zu sagen. Darum habe ich hier weder Schuld noch Sünde, und ich bitte Euch um Gottes willen und bei der heiligen Jungfrau vom Ölbaum, daß Ihr Erbarmen habt mit meinen Umständen und mit niemand in der Welt ein Wort davon redet; denn ich versichere Euch, ich möchte lieber sterben, als daß man von einem armen Mädchen wie ich etwas so Garstiges erführe!«
    Der gute Alte wußte nicht, was er hier anfangen sollte, da er ihr die Tränen in großer Zahl herabstürzen sah und sie ihre Sache so geschickt vorbringen hörte. Er fing daher fast an zu glauben, sie sage die Wahrheit. Dennoch aber, weil ihm die Sache doch gar außergewöhnlich schien und er sich an allerlei Liebkosungen erinnerte, die ihr Lavinia zu machen pflegte, fürchtete er, es möchte irgendein fauler Fleck unter der Sache stecken, Lavinia könne es bemerkt und ihm so recht vor der Nase den Zufall sich zunutze gemacht haben. Deshalb fragte er sie noch eindringlicher, ob jene nicht vielleicht die Sache gewittert habe.
    »Gott bewahre«, antwortete sie darauf ganz keck, denn es schien ihr nunmehr, die Sache sei in gutem Gange; »vielmehr habe ich mich immer vor ihr gehütet wie

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