Italienische Novellen, Band 2
Tarascon geliehen wurde.
Als nun alles abgeschlossen war, fehlte nichts mehr in dieser Sache, als daß der Toulouser in Erinnerung an das seiner Gemahlin gegebene Versprechen erklärte, es habe alles seine Richtigkeit, wenn das Wesen des jungen Grafen der Tochter gefalle, gegen die er durch sein Wort verpflichtet sei, ihr keinen Gemahl zu geben ohne ihre Beistimmung. Dieser Punkt schien jedoch beiden unerheblich, und keiner hatte darum weniger Hoffnung auf das Gelingen der Sache; denn der junge Graf war durch Reichtum und Adel der Verlobten völlig wert und überdies so schön und tugendhaft und mit so seltenen, geehrten Eigenschaften ausgestattet wie nur irgendein, ich sage nicht Fürst, denn das sind weiße Raben, sondern ein gewöhnlicher Edelmann in ganz Europa in jener Zeit gefunden werden konnte, was man vielleicht nicht gern glaubt, da er in Barcelona geboren war; aber es wurde auch und wird noch jetzt als ein Wunder erzählt, da weder vor- noch nachher ein ihm ähnlicher in jenem Lande gesehen wurde noch zu erwarten steht, daß einer in Zukunft gesehen werden würde. Dieser wurde also von seinem Vater zur Einholung der Braut, die man schon im ganzen Lande erwartete und zu empfangen fast schon ganz bereit war, mit großem Prunk und schönem und ehrenvollem Geleite nach Toulouse geschickt, wo er mit derjenigen Ehre und Liebe aufgenommen wurde, die einem so großen Herrn und so geliebten Sohne gebührte, ohne daß etwas versäumt worden wäre, was französische Höflichkeit und spanischer Anstand erheischte, deren beiderseitige Anforderungen wegen der Nachbarschaft der Länder damals genau bekannt und in Übung waren.
Nach den ersten Bewillkommnungen wurde ihm in dem Palaste die schöne Tochter königlich geschmückt vorgestellt. Diese wußte ihre wunderbare Schönheit durch seltene Anmut und Würde zu erhöhen und empfing ihn auf so freundliche und reizende Weise, daß der junge Graf ganz von Staunen, Liebe und Wonne überwältigt wurde, und wenn er bisher durch den Ruf nach ihrem Besitze verlangend geworden war, so wurde er nun durch ihren Anblick in einem Augenblicke so entflammt, daß er kaum Ort und Zeit erwarten konnte. Die Tochter, die vom Vater zuvor über alles unterrichtet worden war, maß ihn von allen Seiten mit nicht minder scharfen Blicken als er sie; doch tat sie es mit jener größeren Verschämtheit und Verstellung, die der weiblichen Sittsamkeit ziemt; er dagegen weidete mit unzweideutigem Ausdruck wie ein Verliebter und ein Fürst seine Augen an ihr.
Nach dem ersten Empfang wurden die Tafeln gedeckt, auf welchen die ausgesuchtesten Speisen und Leckerbissen nicht fehlten, wie es nur in dieser Jahreszeit und an diesem Orte sie aufzufinden möglich war. Nach Beendigung der kostbaren Mahlzeit wurden nach Landessitte in den reichsten Gefäßen Granatäpfel aufgetragen, die in jener Gegend sehr schön wachsen, um damit den Mund von dem verschiedenen rückbleibenden Geschmack der vielen Speisen zu reinigen. Der Graf hatte auch einige davon genommen, und zufällig war ihm einer aus der Hand entwischt, was er alsbald bemerkte, – und wie er selbst hernach und viele andere, die es gesehen hatten, versicherte, faßte er, um die Leichtigkeit und Gewandtheit seiner Hand zu zeigen, ihn sehr geschickt auf, noch ehe er den Boden berührt hatte, und führte ihn zum Mund.
Die junge Braut, sei es, daß das Schicksal sie dazu genötigt, oder daß wirklich die Handlung an sich ihr eines vornehmen Mannes unwürdig schien, – kurz, sie war darüber in ihrem Herzen sehr beunruhigt und stellte bei sich selbst im stillen folgende Überlegung an: »Da haben wir's nun, was ich so oft habe sagen hören, und zwar von Leuten, die wohl ein Urteil darüber hatten, daß die Katalonier die filzigsten, dürftigsten Menschen des Abendlandes sind. Ich habe zwar an diesem manche Eigenschaften gesehen, die nicht für Katalonien passen; doch könnte es wohl sein, daß er sich deshalb selbst Zwang antut, wie es Leute machen, welche andere zu täuschen suchen, ein alter gemeiner Brauch in Katalonien. Es verrät aber einen armen Verstand, wenn man nicht wenigstens auf kurze Zeit sich in das Betragen und die Worte eines Wackeren hüllen kann, bis man seinen Plan zum Ziele geführt hat und zu seiner Natur zurückkehren darf. Aber der Geiz, die Mutter und Amme aller Laster, soll eben, wie ich von einem meiner Lehrer weiß, die verborgene Eigentümlichkeit haben, daß er sich auch von dem geübtesten Heuchler nicht verbergen läßt.
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