Italienische Novellen, Band 2
Denn der, dessen Wesen so beschaffen ist, ärgert sich nicht nur, wenn er selbst das Seinige ausgeben muß, sondern auch, wenn er seine Feinde ihre Reichtümer allzu freigebig austeilen sieht, und fühlt darüber größeren Unmut als ein Verschwender, wenn er sehen müßte, wie man ihm all seine Habe auf der Welt, geschweige die eines andern, in widerrechtlichen Besitz nähme. Ist der Graf von der Art, was soll dann aus mir werden? Und ganz sicher muß ich ihn für einen solchen halten, wenn ich denke, daß, wer im höchsten Überfluß mit einer Frucht des andern geizt, wohl in der Not noch weit geiziger sein wird mit seinem eigenen Golde. Gibt es ein größeres Elend für ein edles, hochherziges Mädchen, als einen reichen und geizigen Gemahl zu bekommen? Solche Frauen werden sich selbst zur Last und kommen zur Verzweiflung, andern aber sind sie ein Gegenstand des Spottes und Hohns. Die Götter verhüten, daß mir dies widerfahre! Ich will lieber bis zu den spätesten Tagen meines Alters auf diese Art leben, als mit ihm leben in beständiger Qual und Reue über meinen Unverstand. Mein alter Vater mag sagen, was er will! Ich weiß recht wohl, wie töricht einer ist, der sich durch fremde Bitten bewegen läßt, sich selbst zu schaden.«
Mit dem Entschlusse, durchaus diese Handlungsweise zu befolgen, setzte sie ihren Gedanken ein Ziel, und als alle Festlichkeiten vorüber waren, verabschiedete sich der Graf von Toulouse von dem Katalonier, nahm seine Tochter bei der Hand und ging mit ihr hinweg in sein Gemach. Hier befragte er sie unter den väterlichsten Ermahnungen um ihre Willensmeinung, worauf sie ganz entschlossen und heftig erwiderte, lieber wolle sie immer unverheiratet bleiben wie jetzt, als einen Gemahl haben, der ihrem Wesen so sehr entgegen sei. Als der alte Vater dies hörte, der ganz das Gegenteil vermutet hatte, war er im höchsten Grade betrübt. Er hatte gehofft, dadurch das Glück und den Frieden des ganzen Landes zu befestigen, und nun konnte es leicht kommen, daß von neuem endlose Verwüstung und allgemeine Fehde für sie alle daraus erwuchs. Er befragte seine Tochter um ihren Grund, und als er ihn vernommen, konnte er nicht umhin, über diese Geringfügigkeit zu lachen, suchte auch auf alle mögliche Weise sie davon abzubringen; aber es war alles umsonst: denn ihr letztes Wort blieb die entschiedenste Antwort, wenn sie merke, daß ihr gegen das ihrer Mutter geleistete Versprechen Gewalt angetan werden solle, so werde sie lieber mit eigener Hand sich das Leben und damit die ihr bevorstehende Unlust nehmen, als ihre Zustimmung geben. Der alte Graf erinnerte sich des seiner verstorbenen Frau gegebenen Versprechens und ward ebenso bewegt von zärtlicher Sorge um seine Tochter; daher antwortete er fast weinend nur folgendes: »Wenn dein Entschluß so fest ist, so zu handeln, so geschehe es! Erwarte von mir keine andere Gewalt als die, die du dir selbst antust!«
Darauf verließ er das Gemach, und mit den ehrenvollsten Entschuldigungen, die er ersinnen konnte, und mit den höflichsten Worten, die er wußte, nachdem er auseinandergesetzt, wie beschaffen in der Regel der Sinn der Frauen sei und der Mädchen insonderheit, und wie sie selbst auf ihrem Schaden am hartnäckigsten beharren, tat er zuletzt dem Grafen von Barcelona zu wissen, sie gebe zu dieser Eheverbindung durchaus ihre Einwilligung nicht. Diese Worte waren verletzender als die schärfsten Pfeile für des Kataloniers Herz und verwundeten es um so schmerzlicher, je weniger er von dieser Seite gefürchtet hatte und je näher er sich der Erfüllung seiner Wünsche glaubte. Nichtsdestoweniger verbarg er seinen geheimen Groll und Schmerz in seiner Brust, lächelte bitter und meinte, es sei dies nicht der erste Unfall, der wie ihm, so auch Höheren als er schon begegnet sei, wodurch eine Hoffnung fehlgeschlagen. Da es nun so sei, so gedenke er, wenn er es genehmige, den Tag darauf nach Barcelona zurückzukehren; zur Vergütung der auf der Herreise erlittenen Beschwerden wünsche er aber wenigstens zu erfahren, was denn vorzüglich seine Tochter Mißfälliges an ihm gefunden habe, um für die Zukunft seine Fehler zu bessern. Der Alte schämte sich ebensosehr, die Wahrheit zu leugnen, als sie zu sagen; doch offenbarte er sie endlich, da er nicht anders konnte. Der Katalonier konnte es nicht ohne Lachen hören und antwortete: »Fällt es mir wieder einmal ein, auf die Brautschau zu gehen, so wähle ich dazu gewiß die Jahreszeit, wo die Granatäpfel
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