Italienische Novellen, Band 2
noch nicht reif sind: denn sie haben mich um eine Gemahlin gebracht, wie die Ceres um eine Tochter.«
Er fügte noch Lobeserhebungen auf des Grafen Treue und Liebe gegen seine Gattin und Tochter bei, vermöge welcher er ihr nicht Gewalt antun wolle, und versicherte, er dürfe darum nicht an der Aufrichtigkeit des unter ihnen zustande gekommenen Friedens- und Freundschaftsverhältnisses zweifeln. Darauf ging er auf andere Gespräche über und brachte so, freilich ohne großes Vergnügen, den ersten Tag hin. Am nächstfolgenden nahm er, seinen innerlichen Groll gegen das Fräulein verbergend, scheinbar ganz freundlichen Abschied von ihr sowie von den übrigen und trat in den größtmöglichen Tagemärschen den Rückweg nach Katalonien an.
Sobald er über die Grenzen seines eigenen Gebietes getreten war, entließ er sein ansehnliches Gefolge unter dem Vorwand, er wolle zu einem heiligen Andachtsorte einige Meilen vom Wege abseits gehen, worunter sich viele Unsere Liebe Frau von Monferrato dachten. Und da man bei solchen Wallfahrten allen weltlichen Prunk und Glanz ablegen muß, wollte er nur zwei seiner treuesten Freunde bei sich behalten, um sein Gelübde mit möglichster Demut und frommem Eifer zu erfüllen. Sobald aber die andern alle sich entfernt hatten und er mit den beiden alten Vertrauten seiner Geheimnisse allein war, entdeckte er ihnen erst völlig seine Absicht: sie ließen ihre Pferde zurück und machten sich zu Fuß wieder rückwärts auf den Weg nach Toulouse, nachdem sie alle sich in Kleidung, Haltung und Gestalt gegen früher ganz verändert hatten.
Der Graf hatte sich als Juwelenhändler vermummt und trug ein Kästchen in dem Arme, wie man solche täglich in Paris umhertragen sieht und in ganz Frankreich, ja auch in Italien, und worin man unzählige und mannigfaltige Dinge zur Schau trägt, die dann in den Häusern den Edelfrauen und den vornehmen Herren angeboten werden, mit denen sie sich ohne weiteres bekannt machen. Er kaufte daher viele Kleinode und Goldarbeiten von großem Wert und einige andere Gattungen feiner Waren, füllte damit seine Kiste und mischte darunter auch ein paar von seinen schönen Edelsteinen, deren er viele von der größten Schönheit mitgebracht hatte, um sie seiner Braut zu schenken, sobald sie die Seinige geworden wäre; die vom höchsten Werte aber tat er nicht dazu, um nicht durch den allzu großen Reichtum in der Gegend erkannt zu werden. Er schor sich den Bart, den man damals in Katalonien zu tragen pflegte, und ging ganz allein nach Toulouse hinein in der festen Hoffnung, dies müsse das sicherste Mittel sein, das ihm das Geschick gelassen habe, um seine Geliebte noch einmal sehen und sprechen zu können.
So ging er vom Morgen bis zum Abend in der Stadt umher und verkaufte seine Waren an diesen und jenen, wie es der Zufall gab; vorzugsweise aber kam er oft in die Nähe des Palastes, den der Graf von Languedoc bewohnte, um die Gelegenheit zu erspähen, wo er wenigstens einmal mit derjenigen sprechen könnte, die sowohl wegen des spätern Unwillens als durch die frühere Liebe seine Gedanken unaufhörlich beschäftigte.
Und es dauerte nicht lange, bis er eines Abends nach einem sehr heißen Tage die schöne Tochter in weißem Kleide auf das anmutigste in großer Gesellschaft der edelsten Frauen des Landes auf dem Tore sitzen sah. Ganz zitternd grüßte er sie demütig und fragte, ob es einer der Frauen gefällig sei, etwas von seinen Sachen zu kaufen, wobei er die Güte seiner Waren und die Billigkeit der Preise herausstrich. Die Gräfin und die Edelfrauen verschmähten, wie es Landessitte ist, das Anerbieten nicht, riefen ihn zu sich, fragten ihn, was er habe, und standen rings um ihn her. Alle samt und sonders ergriffen die eine diesen, die andere jenen Gegenstand, und befragten und bestürmten ihn dergestalt, daß er, der überhaupt nicht die größte Erfahrung in diesem Geschäft hatte, gar nicht mehr wußte, was und wem er antworten solle. Er wendete sich daher mit seinen Worten immer an die Gräfin und zog sich mit den ihm vorgelegten Fragen so gut als möglich aus der Schlinge. Nachdem er einige von seinen Sachen, die ihnen am besten gefielen, ziemlich wohlfeil an sie verkauft hatte, ging er hinweg, da ihn die Vesperzeit forttrieb. Er unterhielt diesen Handel lange Zeit; fast jeden Tag fand er sich bei derselben Gesellschaft ein und war bald so bekannt mit all den Mädchen geworden, daß es ihnen großes Vergnügen machte, mit ihm zu plaudern, um welches
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