Italienische Novellen, Band 2
hätte ihn nicht dazu gebracht, und schloß endlich damit, daß er ihr den Stein zeigte, unter dem Beifügen jedoch, daß er ihr sonst nichts gestatten könne als bloß den Anblick.
Die Gräfin hielt das unvergleichliche Kleinod in der Hand. Je genauer sie es betrachtete, desto schöner kam es ihr vor, wie es auch wirklich war, und eine unwiderstehliche Sehnsucht entzündete sich in ihr, es zu dem ihrigen zu machen, da sie sonst nicht leben könne; doch heftete sie darauf ihre schmachtenden Blicke, ohne es allzu deutlich merken zu lassen. Darauf bat sie den Navarresen, ihr zu sagen, welche geheime Eigenschaft denn das Kleinod besitze. Nachdem er sich ein wenig geweigert hatte, antwortete er endlich, doch wie mit innerem Widerstreben: »Gnädiges Fräulein, wenn einer im Zweifel ist, was er in einer Sache beschließen soll, die ihm nahegeht, und er schaut hinein, so sieht er, wenn es zu seinem Vorteil ausschlagen soll, diesen Stein so hell werden, als wären die Sonnenstrahlen darin verborgen; wo nicht, so wird er dunkler als eine mondlose Nacht. Es haben schon einige behaupten wollen, dies sei der Stein der Weisen, den viele umsonst gesucht haben, wiewohl andere meinen, er sei mehr ein Werk der Alchimie als der Natur. Auch fehlte es nicht an solchen, welche sagten, er habe Alexander dem Großen gehört, und dieser habe sich ohne denselben nie dem Kriegsglück anvertraut; sodann sei er in den Besitz Julius Cäsars gekommen, und durch die Kraft dieses Steines hätten beide für unüberwindlich gegolten, wie Ihr oftmals gehört haben werdet.«
Nach diesen Worten packte er seinen Edelstein wieder ein und nahm Abschied. Die Gräfin blieb mit ihrer Kammerfrau allein und rief zu wiederholten Malen: »Wer wäre glücklicher als ich, wenn ich ein so köstliches und so seltenes Ding besäße und es ganz nach Bequemlichkeit tragen und beschauen dürfte? Würde ich in der Folge einmal, wie neulich vom Grafen von Barcelona, zur Ehe verlangt, welcher Vorteil wäre es für mich, wenn ich untrüglichen Rat von meinem Edelstein erhielte!«
Nach diesen Überlegungen bat sie zuletzt ihre teure Kammerfrau, ihr zuliebe wieder zu dem Navarresen zu gehen und es dahin zu bringen, daß er den Stein an sie verkaufe, und zwar um einen Preis, den er selbst nach Belieben bestimmen möge. Wiewohl ihre Hoffnung gering war, ging die Kammerfrau doch hin, und das erste- und zweitemal umsonst und mit der abschlägigen Weisung, daß er nie mehr wagen würde, das Juwel irgend jemand auf der Welt zu zeigen, geschweige es zu verkaufen. Das drittemal aber schien es dem Navarresen doch Zeit, zu dem Punkte zu gelangen, den er am ersten Tag schon beabsichtigt hatte. Er sprach daher: »Liebe Frau, da Eure dringenden Bitten und die Schönheit und Anmut Eurer Gebieterin endlich meinen Willen gebrochen und mich zu dem Entschluß bewogen haben, eines so teuren Kleinods mich zu entschlagen, so geht hin und antwortet ihr, ich wolle es ihr ganz sicher geben, wenn sie mir statt der Bezahlung gestatte, eine einzige Nacht so vertraut bei ihr zu ruhen, als wäre ich ihr Gemahl. Will sie dies nicht tun, so sagt ihr, daß weder Geld noch sonst eine Belohnung mich je dahin bringen werde, auf mein Eigentum zu verzichten; sie möge sich alsdann ihre Lust vergehen lassen und mir nicht länger mit Bitten beschwerlich fallen.«
Die Kammerfrau hinterbrachte ihrer Gebieterin diesen Beschluß und fügte hinzu, wenn sie sich dazu nicht verstehen wolle, so sei sie selbst nicht willens, weitere Worte und Schritte in dieser Sache zu verlieren, denn sie sei überzeugt, es führe zu nichts. Die Gräfin erzürnte sich über diese Worte aufs äußerste. Sie hielt ihre Ehre für schwer gekränkt und drohte mit heftigen Reden der zuchtlosen Verwegenheit desjenigen, dessen Worte ihre Keuschheit und Würde zu verletzen sich erdreistet, schalt aber auch die Kammerfrau, daß sie ihm nicht nachdrücklichst bedeutet habe, wie schlecht es für einen seinesgleichen sich zieme, solche Reden gegen sie zu führen. Die Kammerfrau lächelte ein wenig und erwiderte: »Madame, als ich das erstemal zu ihm geschickt wurde, meinte ich, meine Pflicht sei, Euch und ihm alles auszurichten, was mir von der andern Seite aufgetragen werde, und ich hätte mir nicht zu deuten gewußt, welchen Teil des Auftrages ich tadeln oder verschweigen solle. Seid Ihr nun unzufrieden mit dem, was ich Euch berichtet habe, so ist das Eure Schuld, daß Ihr mich nicht erinnert habt, für den Fall, daß er mir solche Dinge
Weitere Kostenlose Bücher