Italienische Novellen, Band 2
mehr ihm widersprach, wurde er von der Lust übermannt und überwunden und beschloß, wenn es ihn auch das Leben kosten sollte, nach Mailand zu gehen. Er erhob sich also mit Sonnenaufgang vom Bette, besuchte Delio, der noch nicht aufgestanden war, und sprach zu ihm: »Mein Delio, ich habe beschlossen, komme was da wolle, da es nun einmal so weit ist, sobald es Nacht wird, von hier wegzugehen, von hier mich geradezu nach Cremona zu wenden und dort zu rasten, bis das Tor geöffnet wird, was dort sehr früh geschieht. Dann gehe ich in das Haus unseres Vetters Girolamo und bleibe dort den Tag über; am Abend spät gehe ich weiter, an Lodi vorüber nach Zurlesco, wo ich insgeheim im Hause des Ritters Vistarino herberge. Dort bleibe ich wieder bis gegen Abend und wende mich weiter von Zurlesco nach Mailand, wo ich um die dritte Stunde nach Sonnenuntergang eintreffen kann. Du weißt, daß das Ticiner Tor zu jeder Stunde geöffnet wird, wenn man dem Torwart einen Soldo zahlt; dann gehe ich geradesweges nach dem Hause unseres Messer Ambrogio.«
Als Delio die Gesinnung Cornelios gehört hatte, bestrebte er sich mit den einleuchtendsten Beweisen, ihn von einer solchen Reise abzubringen; aber er mochte sagen, was er wollte und wußte, – Cornelio war nun einmal fest entschlossen, unter jeder Bedingung zu gehen, und sagte zuletzt: »Ich will mein Glück versuchen; gelingt mir die Sache, wie ich wünsche und hoffe, – welcher Liebende war dann je glückseliger als ich? Kommt es anders, so habe ich wenigstens den Trost, daß die, die ich mehr als mein Leben liebe, deutlich erkennen wird, daß meine Dienstbarkeit echt und nicht erheuchelt ist.«
Als Delio sah, daß Cornelio nicht mehr davon abzubringen war, sich in eine solche Gefahr zu begeben, und daß es kein Mittel gab, ihn von diesem Vorhaben abzubringen, sagte er zu ihm, da er nun durchaus gehen wolle, solle er seine Diener in Mantua lassen und andere Personen nehmen, auf die er sich verlassen könne und die in Mailand nicht bekannt seien. Dies tat er und versah sich mit drei Bedienten. Als nun der festgesetzte Abend kam, ging er heimlich aus Mantua weg und kam nach dem früher von ihm entworfenen Plane drei Stunden nach Sonnenuntergang zu Mailand an, wo er sich geradeswegs nach dem Hause seines treuesten Freundes Messer Ambrogio wandte. Dort angelangt, ließ er einen seiner Diener an die Tür pochen und sagen, Messer Ambrogio möge herabkommen, ein Edelmann wolle mit ihm sprechen. Unterdessen tat Cornelio einen Pfiff, woran Messer Ambrogio merkte, daß es Cornelio sei. Er kam herab, öffnete die Tür und fragte: »Wer ist da?«
Ohne zu antworten, machte Cornelio ein gewisses Zeichen, woraus Messer Ambrogio sich von der Wahrheit überzeugte; er hieß die Fackeln ins Haus zurückbringen, die mit ihm gekommen waren, um den Weg zu erleuchten, und hieß freudig seinen Freund willkommen. Dann ließ er gleich ein Zimmer im Erdgeschoß aufmachen und Cornelio in dasselbe eintreten. Er wollte, daß niemand im Hause erführe, wer es sei, außer ein besonders vertrauter Diener. Es war im Monat Februar, und mehrere Tage war weder Regen noch Schnee gefallen; daher waren die Wege überall voll Staub, und Cornelio hatte deshalb ungehindert reiten können. Als der Morgen kam, schickte Cornelio nach einem Schneider, durch dessen Vermittelung er Camillas Briefe erhielt. Der Schneider kam und war äußerst erfreut, Cornelio zu sehen. Sie sprachen eine gute Weile miteinander; dann gab Cornelio dem Schneider einen Brief, den er seiner Geliebten zustellen sollte.
Als sie erfuhr, daß ihr Geliebter in Mailand sei, war sie ebensosehr erfreut wie bekümmert: erfreut, denn sie hoffte ihren Cornelio zu sehen, von dem sie, nachdem er sich einer so großen Gefahr ausgesetzt hatte, vollkommen überzeugt war, daß er sie ausschließlich liebe; sehr mißvergnügt aber war sie darüber, weil sie binnen einem oder zwei Tagen ihren Gemahl erwartete. Ich muß nämlich bemerken, daß sie in dem nach Mantua an ihren Geliebten gerichteten Briefe den Tag der Abreise ihres Mannes irrig angab; dies war der Grund, weshalb Cornelio seinen Abgang von Mantua unpassend lange verschob. Dem Schneider gab die Frau nun ein Briefchen, worin sie ihrem Cornelio schrieb, sie wolle ihn heute zwischen einundzwanzig und zweiundzwanzig Uhr an der Tür ihres Palastes erwarten; er solle vermummt hinkommen und ein gewisses Zeichen machen.
Als es Zeit war, maskierte sich Cornelio mit den bunten langen Kleidern, wie sie in Mailand
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