Italienische Novellen, Band 2
mit den Ärmeln seines Waffenrockes beschützt war, wickelte seinen linken Arm in den Mantel und wehrte damit den Streich vom Haupte ab. Seinerseits aber kehrte er nun die Spitze seines Degens seinem Feinde zu und verwundete ihn gerade in den Hals, den er ihm durch und durch stieß, so daß Tebaldo nach vorn hin tot zu Boden stürzte. Der Lärm, der hierüber entstand, war unendlich; die Scharwache kam dazu, und die Unruhestifter zerstreuten sich nach allen Seiten.
Der über Tebaldos Tod außerordentlich betrübte Romeo flüchtete mit vielen der Seinigen nach San Francesco zum Bruder Lorenzo, und der gute Mönch wollte schier verzweifeln, als er von diesem unerwarteten Unfall Kunde erhielt, der die Feindschaft zwischen den beiden Häusern notwendigerweise neu entflammen mußte. Die Capelletti begaben sich insgesamt zu Herrn Bartolomeo und führten Klage. Auf der anderen Seite bewies jedoch der Vater des verborgenen Romeo nebst den ersten der Montecchi, daß Romeo mit den Seinigen durch die Stadt gelustwandelt und nur zufälligerweise zu dem Streite gekommen sei, den er darauf habe schlichten wollen, bis ihn Tebaldo, trotz seiner gütlichen Abmahnungen, wiederholt angefallen und zur Selbstverteidigung gezwungen habe, die leider einen so üblen Erfolg gehabt. Auf diese Weise klagte die eine Partei die andere höchst erbittert an; da es sich indessen erwies, daß die Capelletti der angreifende Teil gewesen waren, und viele glaubwürdige Zeugen ihre Aussage dahin abgaben, daß Romeo in der Tat die Seinigen aufgefordert hatte, den Streit zu schlichten, sowie auch Tebaldo freundlich angeredet habe, so gebot Herr Bartolomeo allen auf das strengste, die Waffen niederzulegen, und verbannte Romeo nur.
In dem Hause der Capelletti war großes Weinen und Wehklagen über Tebaldos Tod. Julia dehnte sich die Adern durch ihr Weinen aus, das sie gar nicht mäßigen konnte; es war nicht der Tod ihres Vetters, was sie so bitterlich beweinte, und was ihr diese äußerste Betrübnis erregte, sondern die verlorene Hoffnung, nun jemals ihre Eltern ihre Ehe billigen zu sehen, deren möglichen Ausgang sie gar nicht zu ersinnen wußte. Nachdem sie durch den Bruder Lorenzo in Erfahrung gebracht hatte, wo sich Romeo aufhielt, schrieb sie diesem einen ganz mit Tränen getränkten Brief und sendete ihn durch ihre Amme an ihn ab. Sie wußte, daß Romeo verbannt war und sich von Verona entfernen mußte, und bat ihn also darin angelegentlich, sie, wenn es möglich wäre, mit sich zu nehmen. Romeo schrieb ihr wieder, sie solle sich beruhigen, er würde mit der Zeit auf alles bedacht sein; für jetzt wisse er aber noch nicht, wo eine Zuflucht in der Nähe zu suchen sei; auf jeden Fall wünschte er sie noch einmal vor seiner Abreise zu sehen und zu sprechen. Julia bestimmte ihm hierauf zu ihrer letzten Zusammenkunft den verborgenen Ort des Gartens, wo sie in ihrer Hochzeitsnacht beieinander gewesen waren, und so schlich sich Romeo in der nächstfolgenden Nacht unter Bruder Lorenzos Beistande wohlbewaffnet aus dem Kloster und eilte mit seinem getreuen Pietro zu seiner Gattin.
Julia empfing ihn mit unzähligen Tränen. Sie vermochten beide einander lange Zeit kein Wort zu sagen und tranken sich gegenseitig die Tränen von den Wangen, die ihnen daran reichlich hinabflossen. Dann trauerten sie über die ihnen bevorstehende Trennung, brachen in Klagen über das widerwärtige Geschick ihrer Liebe aus und küßten und umarmten sich unablässig auf das innigste. Als die Stunde kam, da sie voneinander scheiden mußten, bat und beschwor Julia ihren geliebten Gatten, so sehr sie es imstande war, sie mit sich zu nehmen. »Ich will mir mein langes Haar abschneiden, teurer Freund«, sprach sie zu ihm, »und mich als Knabe verkleiden, um mit dir zu gehen, wohin du irgend willst, und um dir liebevoll zu dienen. Wer könnte dir denn ein getreuerer Diener als ich sein? Oh, mein bester Mann! Erzeige mir diese Gunst und laß mich ein und dasselbe Schicksal mit dir teilen!«
Hiergegen nun ermutigte sie Romeo mit den freundlichsten Trostworten und sprach ihr seine Überzeugung aus, daß sein Bann gewiß in kurzem widerrufen werden würde, wie der Fürst es bereits auch seinen Vater habe hoffen lassen, ja, daß er auf das längste nur ein Jahr dauern könne, weil, wenn inzwischen die ihre Familien entzweiende Fehde nicht gütlich beigelegt worden sei, der Herr selbst sich darein mischen wolle, um sie ein für allemal zu beendigen. Zuletzt noch sagte er ihr, es möge
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