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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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ich weiß wahrhaftig nicht, wo mir der Kopf steht.«
    Frau Giovanna, die eine sehr gutgesinnte und fromme Dame war, billigte den Entschluß ihrer Tochter höchlich und hielt sie allen Ernstes dazu an, ihn auszuführen. Sie gingen beide miteinander nach San Francesco und verlangten nach dem Bruder Lorenzo, den Julia, als sie sich in seinem Beichtstuhle ihm gegenüber befand, solchergestalt anredete: »Es lebt kein Mensch auf Erden, mein Vater, der besser als Ihr wüßte, was zwischen mir und Romeo vorgefallen ist; ich brauche Euch also nicht daran zu erinnern. Ihr werdet desgleichen des Briefes eingedenk sein, den ich Euch lesen ließ und alsdann an Romeo absendete, worin ich diesem schrieb, daß mein Vater mich dem Grafen Paris von Lodrone zur Ehe versprochen habe. Romeo schrieb mir zwar darauf wieder, daß er kommen und handeln würde; aber Gott weiß, wann dies geschieht? So, wie die Sachen jetzt stehen, ist über mich der Beschluß gefaßt worden, daß ich im nächsten Monat September wohl oder übel vermählt werden soll. Die Zeit drängt, und ich sehe keinen Ausweg vor mir, diesem Lodrone, der mir wie ein Räuber und Mörder vorkommt, weil er nach anderer Gute trachtet, zu entfliehen. Helft und ratet nun Ihr mir! Ich kann mich ja in mein Schicksal nicht ergeben, denn ich bin Romeos Gattin, dem ich einzig und allein für immer angehöre, und dessen Ehe mit mir vollzogen ist. Verschafft Ihr mir doch, mein Vater, wenn Ihr es vermögt, etwa einen vollständigen Pagenanzug, in den ich mich kleiden könnte! Ich verließe darin am späten Abende oder am frühen Morgen unerkannt Verona und eilte nach Mantua, wo ich in dem Hause meines Romeo die sicherste Zufluchtsstätte fände.«
    Auf diesen nicht eben fein ersonnenen Anschlag, der des Bruders Beifall nicht erlangte, erwiderte derselbe: »Dies ist um deswillen nicht auszuführen, meine Tochter, weil es dich allzu großer Gefahr aussetzen würde. Du bist zu jung und zart, und du würdest die Beschwerlichkeiten einer dir so ungewohnten Reise zu Fuß nicht ertragen. Dann kennst du auch den Weg nicht und würdest nur zwecklos hin und wider irren. Sobald dich dein Vater zu Hause vermißte, sendete er seine Diener gewiß nach allen Seiten hin in der Stadt und auf das Land nach dir aus und würde dich in kurzer Zeit aufgefunden haben, worauf er, wenn du wieder in sein Haus gebracht worden wärest, die Ursache deiner Flucht durchaus würde erfahren wollen. Ich weiß nicht, wie du all die Drohungen und vielleicht sogar die Mißhandlungen, die dir wohl darum von den Deinigen zuteil würden, aushalten möchtest; denn anstatt daß ein solches Wagnis dir hätte helfen sollen, deinen Romeo wiederzugewinnen, würdest du dadurch die Hoffnung verlieren, ihn jemals wiederzusehen.«
    Von diesen überzeugenden Worten des Bruders besiegt, entgegnete ihm Julia: »Da Euch denn nun aber mein Vorschlag nicht gut bedünken will, und da ich Euch glaube, so ratet Ihr mir anders und lehrt mich, diesen verwickelten Knoten meines Schicksals zu lösen, damit ich womöglich auf eine andere Weise wieder mit meinem Romeo vereinigt werde, ohne den ich nicht leben kann. Oder wenn Ihr dies nicht vermögt, so steht mir wenigstens bei, daß ich wo nicht Romeo, doch auch keinem anderen zuteil werde! Romeo hat mir gesagt, daß Ihr ein großer Kenner der geheimen Kräfte der Natur sowie imstande seid, ein Wasser zu bereiten, daß binnen zwei Stunden schmerzlos einen Menschen tötet. Gebt mir von diesem Wasser so viel, als hinreicht, mich von dem Grafen zu befreien, da Ihr mich auf keine andere Weise meinem Romeo erhalten könnt! Bei seiner so großen Liebe zu mir wird er mich lieber sterben als lebendig in eines anderen Armen sehen. Ihr würdet mich und mein ganzes Haus also vor einer großen Schande bewahren; denn wenn ich keine andere Rettung aus diesem stürmischen Meere ersehe, auf dem ich jetzt in einem schwachen Kahne unstet umtreibe, so versichere ich Euch, bei meiner Treue, die ich ganz gewiß nicht brechen werde, daß ich gegen mich selbst wüten und mir mit einem scharfen Messer eines Nachts die Pulsader durchschneiden werde. Ich will weit lieber auf mein Leben als auf meine Romeo angelobte eheliche Treue verzichten.«
    Der Bruder war ein geschickter Physiker, der zu seiner Zeit viele Länder durchwandert und sich in vielerlei Dingen versucht hatte, so daß er unter anderem auch mit den Eigenschaften von Pflanzen und Steinen vertraut war und aus dem Safte einiger einschläfernder Arzneikräuter einen

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