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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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diese selbst, so daß immer mehr Leid aus Leid und Weinen aus Weinen erwuchs. Eine Menge edler Frauen umgaben sie und bestrebten sich, sie zu trösten, so gut sie es imstande waren; sie hatte jedoch die Schleusen ihrer Tränen so weit geöffnet und sich der Gewalt ihres Schmerzes so rückhaltlos hingegeben, daß sie, fast in Verzweiflung versunken, ihnen keine Grenzen zu setzen wußte und nichts von alledem hörte, was man zu ihr sprach, sondern dann und wann laut aufschrie und sich wie sinnverrückt das Haar zerraufte. Herr Antonio war nicht minder betrübt als sie, und wenn er seinen Schmerz weniger durch Tränen äußerte, so fühlte er ihn im Innern desto stärker, wo er nicht nötig zu haben glaubte, ihn zu mäßigen.
    Bruder Lorenzo schrieb diesen Morgen ausführlich an Romeo und unterrichtete ihn von dem Anschlage mit dem Pulver und von dem, was bereits darauf erfolgt war, indem er ihm auch zu wissen tat, daß er Julia in der nächstkommenden Nacht aus der Gruft befreien und nach seiner Zelle bringen würde, und ihn veranlaßte, dazu womöglich selbst verkleidet nach Verona zurückzukehren; er würde seiner bis Mitternacht harren, um die nötigen ferneren Verabredungen mit ihm zu treffen.
    Er versiegelte hiernächst diesen Brief und gab ihn einem anderen zuverlässigen Klosterbruder, dem er dringend anempfahl, ja noch desselben Tages nach Mantua zu gehen, Romeo Montecchio daselbst aufzusuchen und ihm und keinem anderen, er möge sein, wer es wolle, das Schreiben einzuhändigen. Der Bruder ging und kam frühzeitig in Mantua an, wo er im Franziskanerkloster einkehrte. Wie er nun aber sein Pferd untergebracht hatte und den Pater Guardian suchte, um sich von ihm einen Begleiter geben zu lassen, mit dem er seinen Geschäften in der Stadt nachginge, erfuhr er, daß unlängst ein Mönch aus diesem Kloster gestorben sei, und daß die Gesundheitsbehörde wegen einiger verdächtiger Anzeichen und weil sich sogar eine Pestbeule größer als ein Ei in der Nähe der Lenden an seinem Körper vorgefunden, erklärt habe, daß er mit der Pest behaftet gewesen sei. Und siehe da! in dem Augenblicke, als man ihm von diesem Vorfalle sprach, kamen die Schergen der Gesundheitsbehörde im Kloster an und befahlen dem Pater Guardian von Seiten des Beherrschers der Stadt, bei schweren Strafen und so lieb ihm dessen Gnade sei, durchaus niemand aus dem Kloster herauszulassen. Der von Verona angelangte Bruder wollte zwar für sich anführen, daß er im Augenblicke erst im Kloster abgestiegen sei und noch mit keinem Menschen darin verkehrt habe; allein er gab sich eine vergebliche Mühe und mußte wohl oder übel bei der Brüderschaft ausharren, so daß er zum größten Unglück weder den Brief an Romeo abgeben noch diesem sonst etwaige Nachricht davon erteilen konnte.
    Mittlerweile bereitete man in Verona das feierliche Begräbnis der Jungfrau, die man für tot hielt, vor, und man hatte beschlossen, sie noch desselben Abends in der Gruft ihrer Ahnen beizusetzen. Pietro, Romeos Diener, erschrak höchlich, als er hörte, daß Julia gestorben sei, und nahm sich sogleich vor, nach Mantua zu gehen; jedoch wollte er vorher das Begräbnis der Jungfrau abwarten, um seinem Herrn sagen zu können, daß er sie im Tode gesehen habe, und gedachte sodann, gesetzt, daß er aus Verona herauskäme, die Nacht über zu reiten, damit er in Mantua wäre, sobald man dort die Tore öffnete. Zu Veronas allgemeiner Trauer wurde Julias Totenbahre am späten Abende aufgenommen und unter dem Geleite der ganzen Geistlichkeit und aller Brüderschaften der Stadt nach San Francesco geführt. Pietro war so bestürzt und von Mitleiden mit seinem Herrn, der, wie er wußte, Julia einzig liebte, so übermannt und außer sich selbst geraten, daß es ihm gar nicht einfiel, zu dem Bruder Lorenzo zu gehen und mit ihm, wie er wohl schon öfter getan hatte, zu reden. Unmittelbar nachdem er Julia auf der Bahre gesehen und erkannt hatte, stieg er daher zu Pferde und ritt scharfen Schrittes bis nach Villafranca, wo er sein Pferd erfrischte und sich selbst eine Weile schlafen legte; bis er zwei Stunden vor Tagwerden wieder aufbrach, mit Sonnenaufgang in Mantua ankam und sich auf der Stelle nach der Wohnung seines Gebieters begab.
    Julia war indessen in die Kirche gebracht und, nachdem man das gewöhnliche Totenamt für sie abgehalten, etwa um die Mitternachtsstunde in der geräumigen marmornen Gruft der Capelletti, welche sich außerhalb der Kirche auf dem Kirchhofe befand, bestattet

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