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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Jammer beklagte, den Leichnam Tebaldos liegen, den er wenige Monate vorher im Handgemenge getötet hatte. Er erkannte ihn wieder und sagte, zu ihm hingewandt: »Tebaldo! Wo du auch immer sein magst, du weißt, ich habe dich nicht absichtlich beleidigt, sondern ließ mich in den Streit ein, um ihn zu schlichten, indem ich dich ermahnte, die Deinen zurückzurufen, und die Meinigen wollte die Waffen niederlegen lassen. Du aber überließest dich deiner Wut und deinem alten Hasse gegen mich und kehrtest dich nicht an meine Worte, sondern griffst mich mit dem bösesten Willen an. Am Ende von dir dazu gezwungen, mußte ich wohl die Geduld verlieren und mich verteidigen, und so wollte es mein schlimmes Schicksal, daß ich dich umbrachte. Jetzt bitte ich dich, mir die Kränkung zu vergeben, die ich dir an deinem Körper antat, und zwar habe ich um so mehr Ursache, dies zu tun, als ich ja schon durch meinen Ehebund mit deiner Base Julia dein Verwandter war. Wenn du nach Rache an mir verlangst, siehe, so ist sie dir zuteil geworden. Und welch größere Rache hättest du dir wünschen können, als daß derjenige, der dich tötete, sich in deiner Gegenwart selbst vergiftete und sich freiwillig den Tod gab? Im Leben, Tebaldo, feindeten wir uns an; aber im Tode laß uns gegenwärtig friedsam in einem Grabe nebeneinander ruhen!«
    Bei diesen jammervollen Worten des Gatten und den noch viel herzbrechenderen Tränen der Gattin stand Pietro wie eine Bildsäule von Marmor da und wußte nicht, ob er recht sah und hörte oder in der Tat nur träumte; er war davon so betäubt, daß er nicht das mindeste dazu sagte oder tat. Die beklagenswerte Julia dagegen sprach zu Romeo: »Es hat dem Himmel nicht gefallen, uns zusammen leben zu lassen; so gestatte er mir nun, daß ich hier bei dir bleibe! Ich schwöre es dir zu, Romeo, daß ich nicht ohne dich von hinnen gehe, es möge mir geschehen, was da wolle.«
    Romeo faßte sie abermals in seine Arme und begann sie inständigst zu bitten, sich zu trösten und zu seiner eignen Beruhigung am Leben zu bleiben. Aber er wurde allmählich immer schwächer und schwächer, verlor schon den Gebrauch seiner Augen und blieb nicht mehr imstande, sich aufrechtzuerhalten. Er ließ sich zu Boden niedersinken, blickte seiner Gattin noch einmal liebevoll ins Antlitz und sagte: »Ach, mein teures Leben, ich sterbe!«
    Bruder Lorenzo hatte, was auch immer sein Beweggrund dazu war, Julia nicht in derselben Nacht, da sie begraben worden, in seine Zelle bringen wollen. Wie er nun aber in der nächstfolgenden Nacht sah, daß Romeo nicht erschien, so nahm er einen anderen Klosterbruder, auf den er sich verlassen konnte, sowie die nötigen Brechwerkzeuge mit sich, um nach der Gruft zu gehen, und kam daselbst gerade in dem Augenblicke an, als Romeo völlig zu Boden sank. Den Eingang offen findend und Pietro erkennend, sprach er zu diesem: »Sei mir gegrüßt! Wo ist Romeo?« – Julia vernahm seine Stimme und richtete ihr Haupt empor, indem sie zu ihm sagte: »Gott verzeihe es Euch, Ihr besorgtet den Brief an Romeo wohl!« – »Ich besorgte ihn«, erwiderte der Bruder, »Bruder Anselmo trug ihn hin, den du kennst. Warum sprichst du aber so?« – Bitterlich weinend fuhr Julia zu reden fort: »Tretet hier herein, und Ihr werdet es sehen.« Der Bruder schritt näher zu ihr heran und sah Romeo sterbend am Boden liegen. »Romeo, mein Sohn!« fragte er, »was ist dir?«
    Romeo öffnete seine matten Augen noch einmal, erkannte ihn und empfahl Julia seinem Schutze an, indem er mit gebrochener Stimme sprach: er sterbe, seine Sünden bereuend, und bitte Gott und ihn, ihm ihretwegen zu vergeben. Der unglückliche Jüngling vermochte nur mit schwerer Mühe diese letzten Worte hervorzubringen und seine Hand nach der Brust zu führen; von dieser Anstrengung vollends erschöpft, schloß er die Augen und starb.
    Was die trostlose Julia darüber empfand, läßt sich nicht beschreiben. In Tränen zerfließend, rief sie seinen geliebten Namen viele Male vergebens aus und sank, vor Todesangst bewußtlos, über den Leichnam Romeos hin, auf dem sie eine gute Weile ohnmächtig liegen blieb. Der Bruder und Pietro brachten es zwar durch ihre Bemühungen so weit, daß sie wieder ins Leben kam; sie war aber nicht so bald zu sich zurückgekommen, als sie, ihre beiden Hände zusammenfaltend, in erneutes unmäßiges Weinen und, Romeos toten Körper mit Küssen bedeckend, in die Worte ausbrach: »Ach! Du süßer Aufenthalt meiner Gedanken, du Quelle

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