Italienische Novellen, Band 2
Widerstrebens, denn er tat für die Rettung seiner Tochter, was er wußte und konnte, entführten sie sie ihm mit Gewalt und drohten dem Vater mit Worten und Handlungen. So sehr auch das Mädchen weinte, schrie und mit lauter Stimme um Gnade bat, sie schleppten sie mit sich fort. Pietro pflückte in derselben Nacht zum großen Mißvergnügen des Mädchens, das immer mit Schluchzen und Tränen seinen Unwillen kundgab, die Blüte ihrer Jungfräulichkeit, ergötzte sich an ihr die ganze Nacht hindurch und bemühte sich, sie sich geneigt zu machen, um sie dann auf einige Zeit zu Willen zu haben.
Als der Müller sah, daß man ihm mit Gewalt seine Tochter geraubt hatte, und daß er für sich selbst nicht imstande wäre, sie wieder zu bekommen, beschloß er, am folgenden Morgen in der Frühe vor den Herzog zu gehen und ihn um Gnade anzuflehen. Sobald man das Tor öffnete, trat er in die Stadt und ging sogleich in den Palast des Herzogs und blieb dort so lange, bis der Herzog aufgestanden war und aus seinem Schlafzimmer kam. Sobald der arme Mann den Herzog sah, warf er sich ihm mit Tränen in den Augen zu Füßen und fing an, ihn um Gerechtigkeit anzuflehen.
Der Herzog blieb stehen und sprach: »Steh auf und sage mir, was es gibt und was du von mir verlangst!« Und damit sonst niemand höre, was der Müller zu klagen hatte, zog er ihn beiseite und befahl ihm, alles leise zu erzählen. Der ehrliche Mann gehorchte, erzählte ihm die ganze Sache kurz und bestimmt und nannte ihm auch die zwei Gefährten Pietros, die der Herzog sehr gut kannte. Als der Herzog diese Nachricht gehört hatte, sagte er zu dem Müller: »Sieh dich vor, guter Mann, daß du mir keine Lüge sagen mögest: denn das müßte ich streng bestrafen. Wenn aber die Sache sich so verhält, wie du sie mir erzählt hast, so werde ich gehörig für dich sorgen. Geh und erwarte mich nach dem Mittagessen in deiner Mühle, die ich ganz gut kenne! Vorzüglich aber laß, wenn dir dein Leben lieb ist, niemand etwas davon wissen, was ich dir sagte, und das übrige überlaß mir!«
Durch diese freundlichen Worte war der arme Müller getröstet, und der Herzog befahl ihm, in seine Mühle zurückzukehren. Nach dem Essen befahl er allen, zu Pferde zu steigen: er wolle einen Ausflug auf das Land machen. Der Herzog schlug den Weg nach der Mühle ein, ließ sich, als er daselbst ankam, den Palast Pietros zeigen, der nicht weit davon entfernt war, und verfügte sich dahin. Als Pietro und seine Freunde dies hörten, kamen sie ihm vor dem Hause entgegen, wo sich ein schöner Platz mit einer frischen grünen Laube befand. Der Herzog stieg ab und sprach zu Pietro: »Ich ritt auf der Jagd in der Nähe vorbei, sah deinen schönen Palast hier und fragte, wem er gehöre; da ich hörte, daß er dir gehöre und sehr bequem und schön eingerichtet und mit sehr schönen Brunnen und Gärten geschmückt sei, bekam ich Lust, ihn näher zu betrachten.«
Pietro, der dies alles glaubte, dankte dem Herzog ehrerbietig für diese Herablassung und entschuldigte sich, daß der Ort nicht so schön sein möchte, als man ihm vielleicht gesagt habe.
Alle begannen nun, die Treppen hinaufzusteigen, und traten in schöne, geräumige Zimmer. Der Herzog selbst besah alle Gemächer und lobte bald dieses, bald jenes. Man kam auf eine Galerie, welche die Aussicht auf den schönsten Garten darbot. Am Ende der Galerie war ein kleines Zimmer, dessen Eingang verschlossen war. Der Herzog sagte, man solle die Tür aufmachen. Als Pietro den Herzog hatte kommen hören, hatte er das Mädchen hier verschlossen. Deshalb sagte er: »Gnädiger Herr, das ist eine übel geordnete Kammer. Auch wüßte ich in der Tat nicht, wo sich der Schlüssel dazu befindet; der Schloßvogt ist nicht zu Hause, denn ich habe ihn in Geschäften nach Florenz geschickt.«
Der Herzog, der fast alle Gemächer des Hauses gesehen hatte, vermutete, hierinnen müsse das Müllermädchen sein, und sagte: »Wohlan, öffnet mir diesen Ort mit oder ohne Schlüssel!«
Pietro näherte sich dem Ohre des Herzogs und gab ihm lächelnd zu verstehen, er habe ein Mädchen in der Kammer, mit der er die Nacht zugebracht habe.
»Das gefällt mir«, antwortete der Herzog; »doch laß mich sehen, ob sie schön ist!«
Die Tür ward nun geöffnet, und der Herzog ließ das Mädchen herauskommen. Sie warf sich ganz verschämt und weinend ihm zu Füßen. Der Herzog wollte wissen, wer sie sei und wie sie in den Palast komme. Das Mädchen erzählte die Geschichte unter
Weitere Kostenlose Bücher