Italienische Novellen, Band 2
Rechnungen mit allen abzuschließen, so gut er konnte.
In unserer Stadt lebte damals ein reicher Bürger, namens Gherardo Lanzetti, ein vertrauter Freund Ambrogios. Seine Frau war ihm gestorben, und da er Nicuolas Reize sah, ward er so heftig für sie entflammt, daß er in kurzem ohne Rücksicht darauf, daß sie sehr jung war, er aber sechzig näher stand als fünfzig, bei ihrem Vater um sie anhielt, indem er sich bereit erklärte, sie ohne Heiratsgut heimzuführen. Seht, ihr Herren, was diese verwünschte Liebe anstellt, wenn sie in der Brust solcher törichten Alten einkehrt: Sie blendet und verklebt ihre Augen dermaßen, daß sie die unsäglichsten Verirrungen von der Welt begehen, wie man das täglich sehen kann. Und in der Tat, fast alle Alten, welche junge Mädchen zu Frauen nehmen, ergreifen nur Besitz von der Burg Hornberg. Ambrogio hielt es nicht für ratsam, Nicuola einem alten Manne zu vermählen; indessen sagte er weder Ja noch Nein dazu, weil er immer hoffte, Paolo wiederzufinden, und nicht gesonnen war, Nicuola zu vermählen, ehe er von jenem Nachricht erhalten.
Der Ruf von Nicuolas Schönheit hatte sich durch ganz Esi verbreitet, und ihre Reize waren daselbst der einzige Gegenstand der Unterhaltung. Wenn sie sich außer dem Hause zeigte, deutete alles mit den Fingern nach ihr, und viele gingen an ihren Fenstern vorüber, um sie zu sehen. So geschah es um diese Zeit, daß Lattanzio Puccini, ein Jüngling von kaum einundzwanzig Jahren, der durch den Tod seiner Eltern Herr eines großen Vermögens geworden war, Nicuola erblickte und sie ihn, so daß beide in gleichen Flammen für einander erglühten. Lattanzio hatte keinen andern Gedanken mehr, als sie täglich zu sehen und ihr durch die Sprache der Augen zu zeigen, in welcher Leidenschaft er sich um ihretwillen verzehre. Nicuola zeigte ihm, sooft sie ihn erblickte, ein freundliches Antlitz, was der Jüngling bald inneward, so daß er sich, vollkommen überzeugt, von ihr geliebt zu werden, für den glücklichsten Liebhaber hielt, den es je gegeben. Auf der andern Seite gefiel der Nicuola Lattanzio durch Gestalt und Betragen vor allen, die sie je gesehen hatte, und bald gerieten die Gluten der Liebe in ihrem jungen, zarten Herzen zu solcher Gewalt, daß sie ohne seinen Anblick nicht mehr leben zu können glaubte. Und wie zwei liebende Herzen sich selten begegnen, ohne ihre Wünsche befriedigen zu können, so fand auch Lattanzio Mittel, ihr zu schreiben und Antwort von ihr zu erhalten.
Schon hatten sie eine Zusammenkunft verabredet, als Ambrogio gewisser Handelsabrechnungen wegen genötigt war, nach Rom zurückzukehren und eine geraume Zeit fern zu bleiben. Um aber Nicuola nicht ohne anständige Gesellschaft allein lassen zu müssen, schickte er sie nach Fabriano in das Haus eines Schwagers, welcher Frau und Töchter hatte. Nicuolas Abreise geschah so plötzlich, daß sie ihren Geliebten nicht davon benachrichtigen konnte. Ambrogio reiste ab, nach Rom zu. Als Lattanzio die Abreise des Ambrogio erfuhr, zweifelte er nicht, daß er seine Tochter mitgenommen habe; er gab sich viele Mühe, um sich von der Sache zu überzeugen; da er aber nicht auf den Grund kommen konnte, verzweifelte er und verharrte lange Zeit in großer Betrübnis. Doch als ein vornehmer und vergnügungssüchtiger Jüngling tröstete er sich zuletzt, und als er eines Tages die Tochter des Gherardo Lanzetti, ein gar schönes und anmutiges Mädchen, erblickte, löschte ihr Anblick das Bild der ersten Geliebten so ganz aus seiner Seele, daß er sie völlig vergaß.
Nicuola dagegen brachte ihre Tage im größten Unmut über ihre schleunige Abreise aus Esi hin, durch die sie verhindert worden war, dem Geliebten in Briefen oder Botschaften Lebewohl zu sagen. Sie tat nichts als seufzen und weinen und hatte keinen andern Gedanken als ihren Lattanzio, der ihr immer im Herzen lag. An ihn dachte sie Tag und Nacht, und es schien ihr tausend Jahre zu währen, bis ihr Vater zurückkäme, damit sie nach Esi zurückkehren und den wiedersehen könne, der ihr lieber war als das Licht ihrer Augen. Überdies war ihr Oheim, in dessen Hause sie zu Fabriano lebte, ein strenger, rauher Mann, der es nicht für schicklich hielt, wenn heiratsfähige Mädchen die Freiheit haben, mit andern als bekannten Personen zu sprechen, ihnen auch nicht gestattete, sich bald hier, bald dort zu schaffen zu machen, sondern sie bei ihren weiblichen Arbeiten hielt, so daß Nicuola keine Gelegenheit fand, ihrem Lattanzio zu
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