Italienische Novellen, Band 2
aus Perugia, der ihm dieser Tage an einem langwierigen Fieber in seinem Hause gestorben sei, nachdem er ihm drei Jahre lang die treuesten und sorgfältigsten Dienste geleistet habe. Er zeigte sich sehr betrübt über diesen Verlust und äußerte, er würde sich glücklich schätzen, wenn er je wieder einen so treuen Diener fände.
Als er fort war, fiel es Nicuola ein (seht, wie die Liebe mit ihr umgegangen war!), sich als Knabe zu kleiden und bei ihrem Geliebten Dienste zu nehmen. Da sie aber kein Mittel wußte, sich männliche Kleider zu verschaffen, fiel sie von neuem in Unmut. Sie hatte eine Amme, deren Milch sie einst getrunken hatte, und der ihre Leidenschaft bekannt war. Auch kam sie täglich in das Kloster, um Nicuola zu sehen; denn Ambrogio hatte sie vor seiner Abreise gebeten, die Tochter recht oft zu besuchen und sie mit nach Hause zu nehmen, wenn es Nicuola zuzeiten wünsche. Sie schickte also sofort zu ihr und entdeckte ihr in einer vertrauten Unterredung ihr Vorhaben. Obgleich aber Pippa (so hieß die Amme) ihr dringend zuredete, einen so wahnwitzigen Vorsatz aufzugeben, und ihr die Gefahr und das Ärgernis ausmalte, was wohl daraus entstehen könne, so gelang es ihr doch nicht, sie zu überzeugen. Die gute Amme führte sie also in ihr Haus, wo sie Mittel fand, sich als armen Knaben zu kleiden, nämlich in die Gewänder eines Sohnes der Pippa, der kurz zuvor gestorben war. Und um die Sache nicht zu verzögern, begab sich am folgenden Tage Nicuola, nicht mehr als Mädchen, sondern als Knabe, in die Straße, wo ihr Gebieter wohnte.
Das Glück begünstigte sie; denn zufällig stand Lattanzio ganz allein vor der Schwelle seines Hauses. Romulo – denn diesen Namen hatte Nicuola angenommen – faßte, als sie ihn sah, guten Mut und ging in der Straße auf und nieder, indem sie sich fleißig umschaute, wie wandernde Burschen zu tun pflegen, wenn sie an einen Ort kommen, den sie nie gesehen haben. Als ihn Lattanzio so hin und her schweifen sah, hielt er ihn gleich für einen fremden Knaben, der zum erstenmal nach Esi komme und Dienste suche; und da er wieder vor seiner Tür vorüberkam, sagte er zu ihm: »Bist du von hier, Bursche?« Romulo antwortete: »Herr, ich bin ein armer Knabe aus Rom.« (Darin sprach er die Wahrheit, denn er war in Rom geboren und erzogen.) »Schon seit der Plünderung der Stadt«, fuhr er fort, »bei der ich meinen Vater verlor – meine Mutter war lange vorher verstorben –, schweife ich unstet umher in der Welt. Ich habe wohl bei einigen in der Welt Dienste gesucht; aber sie verlangten, ich solle Pferde und Maulesel striegeln, und das kann ich nicht, weil ich es nicht gelernt habe. In Rom diente ich einem Herrn als Edelknabe und hatte nur ihn und sein Zimmer zu bedienen; aber der arme Herr ward bei der Plünderung verwundet und in den Tiber geworfen, worin er ertrank, und weil ich seinen Tod beweinte, bleute mich ein gottloser Spanier ganz unbarmherzig, so daß es mir herzlich schlecht ergangen ist, lieber Herr!« Da sprach Lattanzio: »Wenn du bei mir bleiben und mir so dienen willst, wie du sagst, so will ich dich gern annehmen, und wenn du dich gut beträgst, so sollst du so gehalten werden, daß du dich glücklich preisen wirst, mich gefunden zu haben.«
»Von Herzen gern«, antwortete Romulo, »will ich bleiben, und ich verlange keinen andern Sold, als den Ihr mir selbst nach meinen Diensten zuerkennt.«
Er betrat also mit seinem Herrn das Haus und begann ihn mit so viel Fleiß, Gewandtheit und Zierlichkeit zu bedienen, daß er in wenig Tagen die Sehnsucht nach dem Peruginer völlig aus der Seele des Herrn verbannte. Lattanzio war entzückt über seinen Diener und wünschte sich Glück dazu, den artigsten, geschicktesten und trautesten Edelknaben von der Welt gefunden zu haben. Er ließ ihn mit schmucken Gewändern versehen und kleidete ihn unter anderem von Kopf bis zu Füßen ganz in Weiß. Romulo schätzte sich so glücklich, daß er im Paradies zu sein glaubte.
Wie ihr schon gehört habt, war Lattanzio sterblich verliebt in Catella, die Tochter des Gherardo Lanzetti, und ging täglich an ihrem Hause vorüber, um ihr durch Zeichen und Gebärden die Schmerzen zu verraten, die er um ihretwillen erdulde. Catella bezeigte sich ihm zwar nicht abgeneigt, schien sich aber doch nicht viel aus ihm zu machen: denn noch hatte sie den Flammen der Liebe ihr Herz nicht erschlossen. Er hatte ihr oft Briefe und Botschaften gesandt, aber nie eine entscheidende Antwort erhalten können;
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