Italienische Novellen, Band 2
schreiben. Ihre Muhmen leisteten ihr beständig Gesellschaft und trösteten sie, so gut sie konnten, in der Meinung, ihre Betrübnis gelte der Abwesenheit ihres Vaters.
In dieser traurigen Lage brachte die trostlose Nicuola etwa sieben Monate zu, bis der Vater, der so lange in Rom hatte verweilen müssen, über Fabriano kam, um die Tochter abzuholen und nach Esi zurückzubringen. Nicuola war es zumute, als sollte sie aus der Hölle in den Himmel übergehen, und sie begleitete den Vater in so fröhlicher Stimmung, wie ihr euch wohl vorstellen könnt. Aber alle ihre Freude verwandelte sich bei ihrer Ankunft in Esi in den bittersten Schmerz und so heftige Eifersucht, daß sie vor Herzeleid fast zu vergehen meinte: denn sie fand ihren Geliebten in schlimmerer Verpfändung als bei den Juden, und, was das Schlimmste war, er schien sich ihrer so wenig zu erinnern, als ob er sie niemals gesehen hätte.
Ich möchte jetzt die schönen Kinderchen hier haben, die so leicht den Botschaften solcher jungen Männer Glauben schenken, die dem Esel des Töpfers gleichen, der an jede Tür mit seinem Kopfe stößt. Ich würde ihnen zeigen (verzeiht mir, ihr Jünglinge unter uns!), daß von hundert neunundneunzig betrogen werden. Mit der leidenschaftlichen Nicuola war es so weit, daß sie Lattanzio Briefe und Botschaften senden konnte, so viel sie wollte, um die alte Liebe wieder anzufrischen und ihn daran zu erinnern, was zwischen ihnen vorgefallen war, – es war doch alles vergebens, und der äußerste Kummer bemeisterte sich der Armen. Weil aber der Wurm der Liebe unablässig an ihrem Herzen nagte, so beschloß sie, nicht eher zu ruhen, bis sie die Gunst ihres Geliebten wiedererlangt habe, oder zu sterben; denn es schien ihr unerträglich, daß er eine andere als sie lieben sollte.
Während dieser innern Leiden der Tochter mußte der Vater abermals nach Rom zurückkehren. Da aber Nicuola nicht zu bewegen war, wieder in das Haus ihres Oheims nach Fabriano zu gehen, brachte sie der Vater mit einer ihrer Muhmen, Schwester Camilla Bizza, in ein Kloster. Dieses Kloster hatte sonst in dem Rufe großer Heiligkeit gestanden; Nicuola aber bemerkte bald, daß die Nonnen – statt von dem Leben der heiligen Väter, ihrer Enthaltsamkeit und andern gottgefälligen Werken – den ganzen Tag voll Lüsternheit von Liebesgeschichten sprachen und sich nicht entblödeten, einander zu sagen: »Auf den und den habe ich mein Auge!« – »Der und der ist heute nacht bei der und der gelegen.«
Das nahm sie sehr wunder und erbaute sie schlecht. Auch trugen sie, wie sie bemerkte, statt der härenen Kutte Hemden von der allerfeinsten nordländischen Leinwand auf den üppigen Gliedern und Kleider von den kostbarsten Zeugen; und nicht zufrieden mit ihrer natürlichen Schönheit, wußten sie mit Schminken und Gebräu aus tausend gebrannten Wassern, mit Bisam und mancherlei Pulvern ihr Angesicht zu verschönern und aufzuputzen. Ferner verging keine Stunde des Tages, die sie nicht in vertrauten Unterredungen mit verschiedenen Jünglingen der Stadt zubrachten. Über diese Dinge verwunderte sich Nicuola nicht wenig; denn bisher hatte sie alle Nonnen für Heilige gehalten. Jetzt aber, wo sie bald mit der, bald mit jener und zuletzt mit allen näher bekannt wurde, fand sie alle verliebt und höchst wollüstig. Es scheint mir eine große Torheit von einem Vater, eine Tochter in solche Klöster zu tun, die eher öffentliche Unzuchtshäuser heißen sollten. Aber unsere Stadt hat infolge eines öffentlichen Ärgernisses, das bald darauf sich ereignete, mit Erlaubnis des Papstes alle Nonnen aus dem Kloster vertrieben und dasselbe reformiert, so daß sie jetzt ein frommes Leben daselbst führen. Auch Lattanzio war bekannt in diesem Kloster, wo er oft seine Hemden und sonstige Leinwand nähen ließ; so wurde denn eines Tages Schwester Camilla zu Lattanzio berufen. Als Nicuola dies hörte, rann ihr ein heißes Feuer durch alle Glieder, das sich augenblicklich wieder in den allereisigsten Frost verwandelte. Wer jetzt auf sie achtgegeben hätte, mußte bemerken, wie tausend Farben auf ihrem Gesichte wechselten, so betroffen ward sie bei dem Namen Lattanzios. Darauf versteckte sie sich an einem Orte, wo sie, ohne von Lattanzio bemerkt zu werden, den Geliebten sehen und hören konnte. Bald darauf, da Lattanzio wiederkam und sie an der gewohnten Stelle ihre Augen an seinem Anblick und die Ohren an seinen Reden weidete, beklagte er sich bitterlich über den Tod eines Edelknaben
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