Italienische Novellen, Band 2
was willst du dich denn vergebens abquälen? Warum willst du Leben und Ehre so freventlich aufs Spiel setzen, da es dir doch zu nichts frommen kann? Alle Bemühungen verlangen ihren Lohn; es ist Torheit, sich vergebens abzumühen, zumal wenn so großer Schaden daraus erfolgen kann. Und welchen Lohn erwartest du von so tiefer Erniedrigung? Ewige Schande hast du zu erwarten, nicht allein für dich selbst, sondern für dein ganzes Haus: du hast den Verlust des Lebens zu erwarten, und das sollte doch keiner gering schätzen. Wozu den lieben, der dich nicht liebt? Wozu dem folgen, der vor dir flieht? Ich meinesteils war nie so töricht, jemandem nachlaufen zu wollen. Laß ab von diesem, mein Töchterchen, und wende dein Herz einem andern zu! In dieser unserer Stadt fehlt es nicht an Jünglingen deines Standes, die dich lieben und sich glücklich schätzen werden, dich zur Gattin zu gewinnen. Und was weißt du, ob dieser Lattanzio, gesetzt auch, er habe dich bis jetzt noch nicht erkannt, dich nicht eines Tages wiedererkennt, seine Begierden an dir befriedigt und dich dann laufen läßt und zur gemeinen Dirne herabwürdigt, so daß alle Welt wie auf eine schamlose Hure mit Fingern auf dich deutet? Darum laß dir raten, mein Kind, und bleibe fein bei mir!«
Nicuola stand eine Weile in Nachdenken versunken; dann sprach sie nach einem tiefen Seufzer: »Bestes Mütterchen, ich weiß wohl, daß du mir liebevoll rätst; aber ich bin einmal so weit gegangen, daß ich es auch zu Ende führen will, der Erfolg sei, welcher er wolle. Ich gehe jetzt und rede mit Catella, um su sehen, wozu sie sich entschließt; denn bis jetzt hat Lattanzio nur allgemeine Antworten erhalten. Der Himmel wird mir beistehen: denn er kennt mein Herz und weiß, daß meine Aufopferungen kein anderes Ziel haben, als Lattanzios Hand zu erwerben. Indes werde ich täglich herkommen, dir von allem Nachricht zu geben, und wenn mein Vater kommt, so wollen wir sehen, wie wir uns am besten aus der Sache ziehen; denn mich dünkt, man muß nicht eher an ein Unglück denken, als bis es vorhanden ist.«
Hierauf verließ sie die Pippa und begab sich nach dem Hause Lanzettis, wo sie in dem Augenblick ankam, da Gherardo gewisser Geschäfte wegen auf den Markt gegangen war. Catellas Magd stand an der Tür, und auf ein gegebenes Zeichen, das Romulo von seinem Herrn gelernt hatte, ward er in das Haus gelassen und in eine Kammer zu ebener Erde geführt. Das Mädchen ging hinauf und sprach zu Catella: »Fräulein, kommt herab! Lattanzio hat seinen allerliebsten Edelknaben, der Euch so sehr gefallen hat, hergeschickt, um mit Euch zu sprechen.«
Sogleich kam Catella herab und trat in die Kammer, wo Romulo ihrer wartete. Als sie ihn erblickte, meinte sie, einen Engel zu sehen, so schön und liebreizend erschien er ihr. Nachdem er ihr eine Verbeugung gemacht, fing er an zu reden und richtete die Aufträge seines Herrn aus. Catella, die ein unsägliches Vergnügen empfand, als sie ihn sprechen hörte, schaute ihn mit schmachtenden Blicken an; es war ihr, als entströmte eine nicht gekannte Anmut seinen schönen Augen, und sie verging fast vor Verlangen, ihn zu küssen. Romulo fuhr fort, Lattanzios Wünsche vorzutragen; aber sie achtete nicht auf den Inhalt seiner Worte: ganz versunken in seinen Anblick, machte sie sich das Geständnis, nie einen reizenderen Jüngling gesehen zu haben. Kurz, so lange sah sie ihn mit verliebten Blicken an und erfüllte ihr Herz so völlig mit der Schönheit und dem anmutigen Wesen des Jünglings, daß sie zuletzt, unfähig, sich länger zu zügeln, ihre Arme um seinen Hals schlang, ihn fünfmal oder öfter zärtlich auf den Mund küßte und zu ihm sprach: »Du bist recht leichtsinnig, mir hier dergleichen Botschaften zu bringen und dich solcher Gefahr auszusetzen, wie du tust. Wenn mein Vater dich hier fände!«
Romulo, der an den tausend Farben, die auf ihrem Antlitz wechselten, wohl erkannte, daß Catella in ihn verliebt sei, antwortete ihr: »Mein Fräulein, wer einem andern dient, muß diese und noch gefährlichere Dinge wagen nach dem Willen und dem Befehl seines Herrn. Ich tue es ungern genug; aber da es der Wille dessen ist, der mir gebieten kann, so ist es auch der meinige. Ich bitte Euch also, mir eine günstige Antwort zu geben und Euch meines Herrn zu erbarmen, der Euch so zärtlich liebt und ergeben ist, damit ich ihn bei meiner Zurückkunft mit einer angenehmen Botschaft erfreuen könne.« Indem sie so noch eine Weile miteinander
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