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Italienische Novellen, Band 2

Italienische Novellen, Band 2

Titel: Italienische Novellen, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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wußte auch nicht, was sie hätte sagen sollen, bis der König mit einem kläglichen Seufzer sie fragte: »Was sagt Ihr, edle Frau? Wißt Ihr mir keinen Trost zu reichen?«
    Sie ermutigte sich etwas und antwortete, da sie eher an alles andere als an die Wahrheit dachte: »Mein König, ich wüßte nicht, welches Heilmittel ich Euch reichen sollte, da ich ja das große Übel nicht kenne, das Euch zu belästigen scheint. Wenn es Euch bekümmert, daß der König von Schottland unsere Heimat beschädigt hat, so ist ja doch der Schaden nicht so groß, daß er verdiente, daß eine so hohe Person sich ernstlich darüber betrübe. Überdies seid Ihr, Gott sei Dank, in der Lage, die Schotten durch eine doppelt so große Verwüstung büßen zu lassen, wie Ihr wohl sonst schon getan habt. Durchlauchtigster Herr, es ist nun Zeit, zum Essen zu kommen, und darum müßt Ihr solche Gedanken verbannen.«
    Da wurde der König etwas heiterer und sagte zu ihr: »Ach, meine teure Gräfin, ich fühle, wie mein Herz von übermäßiger Pein zerspringen will, und ich muß, wenn ich nicht mein Leben einbüßen will, Euch das Geheimnis meines Herzens eröffnen und die Ursache meines peinvollen Schmerzes entdecken; denn mir scheint, es zieme sich weder für Euch noch für mich, daß sonst noch jemand darum wisse. So vernehmet denn, daß, sowie ich in Salisbury ankam und Eure unglaubliche übermenschliche Schönheit erblickte und Euer kluges und ehrbares Wesen, Eure Anmut und Mannhaftigkeit nebst all den andern Vorzügen, die an Euch glänzen, wie ein Edelstein in helles, schimmerndes Gold gefaßt, – daß ich in demselben Augenblick als Euer Gefangener und von den göttlichen Strahlen Eurer schönen Augen mich so versengt fühlte, daß ich nicht mehr mein eigener Herr bin, sondern ganz und gar von Euch abhänge, dergestalt daß mein Leben und mein Tod in Eure Hände gelegt sind; denn sobald ich erkenne, daß Ihr zufrieden seid, mich als den Eurigen anzunehmen und Mitleid mit mir zu haben, so werde ich leben als der froheste und glückseligste Mensch von der Welt; wenn Ihr aber zu meinem Unstern Euch gegen diese meine Liebe spröde zeigt und Euch nicht geneigt erweiset, dem heftigsten Wehe Linderung zu reichen, das mich merklich immer mehr verzehrt wie das Feuer das Wachs, so wird in kurzem das Ziel meiner Tage herbeikommen; denn es ist mir ebenso unmöglich, ohne Eure Gunst zu leben, als ein Mensch ohne Seele leben kann.«
    Damit beschloß der König seine Rede und erwartete die Antwort der Schönen, die, sobald sie sah, daß er geendet hatte, mit gespannter Besonnenheit und mit ernster, sittsamer Miene ihm also antwortete: »Hätte ein anderer als Ihr, mein König, diese Worte zu mir gesprochen, so weiß ich wohl, welche Antwort er von mir hätte erhalten sollen. Da ich aber wohl merke, daß Ihr Spaß treibt und aus Scherz Euch über mich lustig macht oder vielleicht mich auf die Probe stellen wollt, so will ich Euch, um diese Unterhaltung auf einmal abzuschneiden, sagen, daß mir auch nicht ein einziger Grund dafür zu sprechen scheint, daß ein so edler hoher Fürst wie Ihr nur auf den Gedanken, geschweige zu dem Entschluß kommen könne, mir meine Ehre zu rauben, die mir teurer sein muß als mein Leben. Auch werde ich nun und nimmermehr glauben, daß Ihr so wenig Rücksicht nehmt auf meinen Vater und meinen Gatten, die um Euretwillen als Gefangene in der Gewalt des Königs von Frankreich, unseres Todfeindes, sind. Gewiß, durchlauchtigster Herr, Ihr würdet sehr in der Achtung der Welt verlieren, wenn man von dieser ungeregelten Begierde erführe, und Ihr würdet auch von mir nie etwas erlangen, da ich nie daran gedacht habe und jetzt ebensowenig daran denke, meinem Gemahl Schmach anzutun; denn ich bin entschlossen, die eheliche Treue, die ich bei meiner Vermählung ihm gelobt habe, rein und unbefleckt zu erhalten bis an mein Ende. Und wenn ich je daran dächte, eine ähnliche Niederträchtigkeit mit irgendeinem Manne zu begehen, so würde es Euch, mein König, zukommen, bei der Gefangenschaft meines Vaters, meines Gatten und aller meiner Angehörigen mich deswegen eindringlich zu tadeln und mir die gebührende Züchtigung angedeihen zu lassen. Darum, ritterlicher Herr, der Ihr andere zu besiegen und zu unterwerfen pflegt, besiegt und unterjocht Euch selber, reißet die unordentlichen und unehrbaren Lüste aus Eurem Herzen und habt acht auf die Erhaltung und Mehrung des Reichs!«
    Die Begleitung, die der König bei sich hatte, glaubte, als

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