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Italienische Novellen, Band 3

Italienische Novellen, Band 3

Titel: Italienische Novellen, Band 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Erwägung bestimmen, ihren Wunsch durch Freilassung ihres Bruders ganz zu erfüllen; worauf er erwiderte, er werde ihre Gründe erwägen, und wenn er es ohne Beleidigung der Gerechtigkeit tun könne, nicht ermangeln, ihrem Wunsch zu willfahren. Mit der schönsten Hoffnung verließ ihn Epitia, begab sich zu ihrem Bruder und erzählte ihm ausführlich, welchen Schritt sie bei Juriste getan und welche Hoffnungen sie aus seinen Äußerungen entnehmen zu dürfen glaube. In so bedrängter Lage vernahm Vico dies mit Freuden, bat sie, nicht abzulassen, seine Befreiung nachzusuchen, und die Schwester gelobte ihm ihre nachdrücklichste Verwendung.
    Juriste, dem sich die Gestalt des Mädchens in die Seele geprägt hatte, dachte in seiner Lüsternheit nur daran, Epitia zu genießen, und erwartete daher mit Ungeduld ihre Wiederkunft. Epitia ließ drei Tage vergehen und erschien darauf wieder bei Juriste mit der bescheidenen Frage, was er beschlossen habe. Sobald Juriste sie erblickte, fühlte er sich ganz Feuer und Flammen und sprach: »Sei mir willkommen, schönes Mädchen! Ich habe nicht ermangelt, die Gründe, womit du deinen Bruder gegen mich verteidigtest, indes nochmals zu erwägen, ja, ich habe sogar deren neue aufgesucht, um dich zufriedenzustellen. Aber leider habe ich mich überzeugen müssen, daß ihm alles nur den Tod zuspricht, da nach dem allgemeinen Gesetze kein Mensch, der nicht ohne Vorwissen, sondern nur aus Unwissenheit sündigt, Entschuldigung finden kann; denn er hätte wissen sollen, was alle Menschen ohne Unterschied wissen müssen, um rechtlich zu leben, und wer aus einer solchen Unwissenheit fehlt, verdient weder Entschuldigung noch Mitleid. Dein Bruder ist in diesem Falle: er mußte wissen, daß das Gesetz einem Jungfrauenschänder den Tod zuerkennt; er muß also sterben, und ich kann ihm von Rechts wegen keine Gnade angedeihen lassen. Allerdings wünschte ich dir zu Gefallen alles mögliche zu tun, und wenn du daher, da du deinen Bruder so sehr liebst, dich dazu verstehen wolltest, dich mir zu ergeben, so wäre ich gern bereit, ihm das Leben zu schenken und sein Todesurteil in eine mildere Strafe zu verwandeln.«
    Epitia stieg auf diese Worte das Blut ins Gesicht, und sie sagte zu ihm: »Das Leben meines Bruders ist mir allerdings viel wert, aber weit teurer ist mir doch meine Ehre, und ich wollte meinen Bruder lieber mit dem Verluste meines Lebens als mit dem meiner Ehre erretten. Darum steht ab von diesem Eurem unehrbaren Gedanken! Kann ich aber auf andere Weise als dadurch, daß ich mich Euch hingebe, meinem Bruder das Leben retten, so werde ich das gerne tun.«
    »Einen andern Weg«, sagte Juriste, »gibt es nicht, als den ich dir bezeichnet habe. Auch solltest du dich nicht so spröde gegen mich beweisen, da es sich leicht fügen könnte, daß ich dich infolge unserer ersten Zusammenkünfte zu meiner Frau erköre.«
    »Ich will meine Ehre nicht in Gefahr bringen«, erwiderte Epitia.
    »Wieso in Gefahr?« fragte Juriste. »Vielleicht bist du so beschaffen, daß du dir nicht vorstellst, es werde gut gehen? Denke hübsch darüber nach! Ich erwarte deine Antwort morgen.«
    »Die Antwort gebe ich Euch auf der Stelle«, erwiderte sie; »denn wenn Ihr mich nicht zur Frau nehmt, da Ihr doch wollt, daß die Befreiung meines Bruders hiervon abhängen soll, so ist alles in den Wind gesprochen.«
    Juriste versetzte nochmals, sie solle die Sache erwägen und ihm morgen ihren Entschluß zu wissen tun, wobei sie auch reiflich überlegen möge, wer er sei, welche Macht er hierzulande besitze, und wie nützlich er nicht nur ihr werden könne, sondern jedem, dem er wohlwolle, denn er habe hier Recht und Gewalt in Händen. Epitia ging höchst bestürzt von ihm zu ihrem Bruder, dem sie hinterbrachte, was zwischen ihr und Juriste vorgefallen, und schloß damit, sie wolle ihre Ehre nicht verlieren, um ihm das Leben zu retten. Sie bat ihn unter Tränen, sich vorzubereiten, das Los geduldig hinzunehmen, das ihm das Verhängnis oder sein ungünstiger Zufall bereite. Da begann Vico plötzlich heftig zu weinen und seine Schwester zu bitten, sie möge ihn nicht sterben lassen, da sie doch auf die von Juriste vorgeschlagene Weise ihn befreien könne.
    »Willst du denn, Epitia«, sprach er, »mir das Henkerbeil am Halse und den Kopf von diesem Körper abschlagen sehen, den derselbe Leib wie dich getragen, derselbe Vater erzeugt hat? Willst du mich, der bisher mit dir aufgewachsen ist und denselben Unterricht mit dir genossen

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