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Italienische Novellen, Band 3

Italienische Novellen, Band 3

Titel: Italienische Novellen, Band 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
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hinterbrachte, rief dieser staunend aus: »Hat denn der Wärter Lamprino nicht den Löwen vorgeworfen?« Er befahl, daß der Wärter vor ihn gebracht würde, und rief ihm bei seinem Eintreten zornig zu: »Warum hast du mit dem Menschen, den ich dir zusendete, nicht nach meinem Gebote getan?«
    »Ich habe danach getan, mein König«, erwiderte der Wärter.
    »Wie ist das möglich«, fügte der König hinzu, »da du ihm das Pferd zu seiner Flucht gegeben hast?«
    »Ich habe das Pferd nicht dem gegeben, der von den Löwen zerrissen werden sollte, sondern Lamprino, der es mir in Eurem Namen abforderte.«
    »Er war es ja aber eben, der den Tod erleiden sollte«, rief der König mit Entsetzen aus.
    »Ich weiß nicht, wie es damit zugegangen ist, Herr«, sagte der Wärter; »Ihr gebotet mir, denjenigen den Löwen vorzuwerfen, der zu mir kommen und die Worte sagen würde, die Ihr mir zum Wahrzeichen dessen, daß er der rechte sei, selbst angabt. Es kam vom Hofe einer und sagte sie, und ich habe mit ihm nach Eurem Willen getan.«
    »Und wer war der Unglückliche?« fragte der König.
    »Ich weiß nicht, wie er hieß«, erwiderte der Wärter; »aber seiner Kleidung nach schien er mir ein vornehmer Mann zu sein.«
    »Wie war er gekleidet?« fragte Selim weiter.
    Der Wärter beschrieb die Kleidung des Zerrissenen, und der König erkannte daran, daß es Zelimo gewesen war. Er erkannte aber zugleich aus den obwaltenden Umständen, daß Zelimo fälschlicherweise Lamprino angeklagt und der gerechte Himmel ihm dagegen den Lohn seiner Undankbarkeit in dem Augenblicke gegeben habe, als es seine Absicht gewesen war, sich an dem Tode seines Schlachtopfers zu weiden.
    Da sich nun in der nächsten Folge der Zeit an Selims Hof das Gerücht verbreitete, der König habe Lamprino töten lassen wollen, weil er darauf ausgegangen sei, ihm Tamulia zu veruntreuen, und da dieses Gerücht auch zu Lambrinos Ohren drang, der um keinen Preis dulden wollte, daß der Ruf seiner Treue durch eine solche Anschuldigung beeinträchtigt würde, so schrieb er an Selim, wie ungerechterweise er bei ihm angeklagt worden, weil eben Tamulia seine leibliche Schwester sei; und wie er, um der allzugroßen Leichtgläubigkeit seines Königs willen, die ihn einem so schmählichen Tode ungehört unterworfen, sich nicht habe überwinden können, ferner in seinem Dienste zu leben, sondern wie er vorgezogen habe, sich auf dem königlichen Renner zu flüchten, den er hiermit wohlbehalten zurücksende, damit man von ihm nimmermehr sage, daß er in seinem Dienste irgend etwas veruntreut habe.
    Er sendete mit diesem Schreiben und dem edlen Rosse einen zuverlässigen Boten an den König ab, und sobald dieser das erstere empfangen und gelesen hatte, ließ er Tamulia zu sich kommen und befragte sie über ihre Vertrautheit mit Lamprino, worauf er dann, da sie ihm dessen Aussagen bestätigte, das größte Leidwesen empfand, sich eines so getreuen Dieners selbst beraubt zu haben. Er versuchte anfänglich alles mögliche, Lamprino zur Rückkehr in seine Dienste zu bewegen; da dieser aber seine Anerbietungen standhaft von sich wies, so ging der Edelmut des Ungläubigen endlich so weit, daß er die vormalige Treue seines Dieners nicht unbelohnt lassen wollte, sondern ihm, als Zeichen seines dankbaren Gemütes, die reichsten Geschenke übersendete.
    Wenige Monate später starb Selim und hinterließ Tamulia große Reichtümer. Unwillig, nunmehr noch längere Zeit in fremden Landen und im Irrglauben zu leben, schrieb sie an ihren Bruder und bat ihn, sie nach ihrem christlichen Vaterlande abzuholen. Lambrino wußte sich von Selims Nachfolger Soliman freies Geleit zu verschaffen, ging nach Konstantinopel und führte seine Schwester nach Korfu über, wo sie, der Welt und alles Irdischen überdrüssig, als Nonne in ein heiliges Kloster ging und ihr ganzes Besitztum ihrem Bruder übergab, der sie zeit ihres Lebens mit allem, was sie benötigte, im Überflusse versorgte und auch an ihr Kloster jederzeit reiche Spenden verabfolgen ließ.

Giovanni Battista Giraldi
Die unglückliche Mutter
    In Salerno lebte einst ein Mann namens Marino, der von seiner liebenswürdigen Frau, welche Placida hieß, ein einziges Kind, einen Knaben, hatte. Das Kind hatte kaum ein Alter von zwei Jahren erreicht, als der Vater heftig erkrankte; kein Arzneimittel wollte helfen: er mußte sterben. Als er sich nun dem Tode nahe sah, rief er seiner Frau und bat sie, auch den Knaben mitzubringen, dem er den Namen Perpetuo

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