Italienische Novellen, Band 3
Nebel, der vom Himmel sank, überdies heftig kalt, und man konnte durchaus niemand unterscheiden. Der verwegene Cechino sprach also: »Das ist gewiß irgendein gutes Abenteuer. Ratet ihr mir, daß ich hineingehe, wenn sie aufmacht? Wer weiß, es könnte mir vielleicht zu meinem Glücke ausschlagen! Auf jeden Fall«, fügte er hinzu, »sind wir jetzt in eine verzweifelte Lage geraten, und wenn wir leben wollen, so müssen wir etwas wagen. Was sagt ihr dazu? Soll ich gehen?«
»Meinetwegen geh du«, antwortete Simeone; »das ist deine eigene Sache.« »Du wärest ein rechter Narr«, sagte Giannozzo, »wenn du da hineingingst; du weißt ja gar nicht wohin, und da du nicht der bist, den sie ruft, so könnte sie, sobald sie dich sieht, anfangen zu schreien: 'Zu Hilfe! Ein Dieb! Ein Dieb!' Denn dafür müßte sie dich doch halten. Dann flieh, wenn du kannst und weißt wohin! Nein, mach es wie ich und menge dich nicht darein!«
»Herr Gott, was können sie mir denn tun?« antwortete er; »ich bin kein Dieb; und wenn sie mich nun auch auf ihr Schreien erwischten, könnte ich dann nicht immer sagen, ich sei ein Fremder und sei, weil sie mich gerufen habe, hereingekommen, um zu hören, was sie von mir wolle? Und dann würde Jacopo Salviati jedenfalls für mich bürgen, daß ich ein ehrlicher Mann bin, da ich über drei volle Jahre bei ihm in Florenz gewesen bin und noch bei ihm sein würde, wäre er nicht hierhergezogen und hätte nicht mein Vater, der damals noch lebte, durchaus nicht einwilligen wollen, daß ich mit ihm wegziehe, weshalb ich also seinen Dienst verließ.«
»Tu, was du willst! Deine Gründe sind nicht übel«, sagten die andern. »Wenn aber wir dir raten sollen, so gehst du nicht hinein. Willst du es dessenungeachtet, so tu nach deinem Gelüsten! Geht es dir schlimm dabei, so wird es uns zwar sehr leid um dich tun; allein du kannst dich über niemand beklagen, als über dich selbst.«
»Nun, kurz und gut«, sagte er, »ich bin entschlossen, hineinzugehen. Beim heiligen Leibe Judä, was wird es denn auch geben? Ich weiß mein Verslein schon, und wer mir etwas anhaben will, der muß sehr schlau zu Werk gehen, wenn ich es nicht merken soll. Geht ihr immerhin in unsere Herberge! Ich bleibe hier allein und werde der Dinge, die da kommen, gewärtig sein. Ihr mögt inzwischen für mein gutes Glück beten, daß es mir günstig sei; denn wenn ich irgend etwas Hübsches daraus fische, wie mir schwant, so sollt auch ihr euer Teil davon abkriegen. Nur wartet auf mich, denn ich höre sie schon die Treppen herunterkommen, um mich einzulassen.«
Sobald die zwei Gesellen erkannten, daß sein Entschluß gefaßt und er nicht mehr davon abzubringen war, kehrten sie in die Herberge zurück und ließen den verwegenen Cechino an der Tür warten, bis ihm aufgemacht würde. Es wohnte in diesem Hause ein reicher portugiesischer Kaufmann, der nur eine einzige, unglaublich schöne und reizende Tochter hatte, die, da er Witwer und schon sehr alt war, seine einzige Freude und Trost wurde. Ein Edelmann aus der Stadt hatte sich heftig in sie verliebt, und das Glück war ihm auch so günstig und geneigt, daß er bald bei ihr die ersehnte Frucht der Liebe pflückte. Er war nun gewohnt, fast jeden Montag abends um die erste Stunde der Nacht sich an ihrer Tür einzufinden; sie räusperte sich dann, und er gab ihr das Zeichen zurück, worauf sie ihn alsbald einließ, mit der größten Gefahr durch den Saal, an den das Schlafzimmer des Vaters stieß, und von da in eine Vorratskammer führte, die voller Baumwolle in Ballen lag. Mitten unter diesen hatte sie sich künstlich einen gewissen Raum wie ein kleines Zimmer zurechtgemacht; über diese Wollsäcke hatte sie weiße Leintücher mit trefflichen seidenen Decken gebreitet, in welchen sie sich dann niederlegten und miteinander die ganze Nacht, ja zuweilen den ganzen Tag in den Freuden der Liebe hinbrachten. Niemand im Hause außer ihr hatte den Schlüssel zu diesem Orte, und sie ließ auch nie jemand hinein. Sie hatte daselbst zur Erfrischung ihres Liebhabers immer die köstlichsten Weine, die schmackhaftesten Speisen und verschiedenes Zuckerwerk, womit sie ihn so lange unterhielt, bis sie ihn auf dieselbe Weise, wie sie ihn hereingeführt hatte, am folgenden Abend wieder hinwegbringen konnte. Nun hatte das schöne Mädchen das Geräusch und Geflüster der drei lustigen Gesellen, welche die Pfannkuchen aßen, vernommen und – es war gerade der Abend, der den Freuden und Ergötzlichkeiten
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