Italienische Novellen, Band 3
befürchtete.
»Ach«, sagte er zu sich selbst, »durch welches widrige Geschick bin ich nicht schöner und anmutiger geworden, daß sie es nicht bereuen müßte, daß ich sie genossen habe, und daß sie mir auch ferner immer so süße, würzige Nächte zugestände!«
Er wollte sie darauf von neuem in seine Arme schließen; da er aber bemerkte, daß sie schlief, gönnte er ihr ihren Schlummer, ja er legte ihren Kopf auf seine Brust. Nach einer kleinen Weile sah er zwischen den Ballen von Baumwolle die Morgenröte hindurchschimmern und ihre hellleuchtenden Strahlen hervorkeimen. Nun sah er auch die außerordentliche Schönheit des holden Mädchens, das noch immer schlief, und war darüber ganz erstaunt; denn es war ihm, als schaue er eher ein göttliches als ein sterbliches Wesen. Er begann deswegen am ganzen Leibe zu zittern. An diesem Zittern erwachte sie, und da sie sich in den Armen eines so gemeinen Menschen sah, fing sie an zu schreien. Er aber schloß ihr alsbald den Mund mit den Händen und sprach: »Schreit nicht, Fräulein, denn Ihr zöget Euch dadurch für den ganzen Rest Eures Lebens Schmach zu. Ich kann nichts für das, was geschehen ist; Ihr habt mich selbst zu Euch hereingeführt. Ich dachte, Ihr seid eine meinesgleichen, und ließ es mir gefallen. Hätte ich vorher gewußt, was meine Augen jetzt sehen, so hätte ich wahrlich nie gewagt hierherzukommen. Aber für Euch wäre es jetzt geratener, still zu schweigen, mich von hier hinwegzuschaffen und gehen zu lassen, als Euch durch Schreien und Lärmen für immer in Verruf zu bringen.«
Das arme Mädchen erkannte recht wohl, daß seine Worte nur allzu richtig waren. Nichtsdestoweniger aber brach sie doch in einen großen Zorn aus, indem sie zu ihm sagte: »Wenn du derjenige nicht warst, ruchloser Verräter, den ich rief, was mußtest du denn mit mir kommen? Sag es, Unseliger!« »Was wußte ich«, antwortete er, »wer Ihr wart? Wie ich Euch sagte, ich meinte, Ihr seid irgendeine Magd, die mich früher schon gesehen und sich in mich verliebt habe und mich nun rufe. Darum wagte ich es hierherzukommen. Hätte ich aber gedacht, eine Euresgleichen zu liebkosen, so wäre ich gewiß nicht ohne ihren Willen hierhergekommen. Worin besteht also meine Schuld? Da Ihr mich rieft, hättet Ihr mir ins Gesicht sehen sollen, ehe Ihr mich hereinführtet, und mich wieder fortschicken, wenn ich Euch nicht gefiel.«
»Ich habe nicht dich gerufen«, sagte sie; »ich hätte mich nie zu deinesgleichen herabgelassen, schmutziger, garstiger Mensch! Dessen aber sei versichert, wenn die Sache je sonst jemand erfährt, so kostet es dich das Leben.« Als der arme Cechino sie nun so zürnen und drohen sah, sprach er bei sich: »Jetzt muß ich ihr zeigen, daß ich mich im geringsten nicht vor ihr fürchte, sondern ihr zu antworten Herz habe und mich auf keine Weise von ihr hinunterbringen lasse.«
»Was einmal geschehen ist«, antwortete er, »könnt weder Ihr noch sonst jemand jemals rückgängig machen; und wenn Ihr Euch nicht zufrieden geben wollt, so sollt Ihr erfahren, daß ich mir am Ende nichts draus mache. Verfahrt also so schlimm, wie Ihr wollt: aber bedenkt, daß, wenn es mir schlecht geht, es Euch nicht gut gehen wird; und wenn Ihr mir noch länger in den Ohren liegt, so mache ich mir nicht viel daraus, aufzustehen, an ein Fenster zu treten und der ganzen Nachbarschaft Euern Irrtum kundzutun, wenn ich mir auch dadurch den Tod zuziehe: denn bis dahin, wenn es je so weit käme, hätte es noch eine gute Weile, und auf jeden Fall muß ich ja einmal auch durch dieses Loch hinaus.«
Als sie ihn in solchem Tone sprechen hörte und ihn für einen gemeinen Menschen hielt, versuchte sie, ihm zu schmeicheln und ihn zu beruhigen, indem sie sagte: »Da mein schlimmes Geschick dies über mich verhängt hat, und da ich das Geschehene nicht zu ändern vermag, so bin ich zufrieden; ich will jetzt nur dafür sorgen, wie ich dich und meine Ehre erhalte, und mich nicht weiter über dich beklagen; aber ich bitte dich, daß du dich dazu verstehst, die Art und Weise anzunehmen, die ich dir vorschlage, von hier wegzukommen.«
Der erfreute Cechino sah nicht so bald, daß sich der Sturm gelegt hatte und sie mild und freundlich gegen ihn geworden war, so antwortete er ihr: »Wenn ich, Fräulein, mit meinem Blute das Geschehene wiedergutmachen könnte, so dürft Ihr Euch vollkommen versichert halten, daß ich es mir aus den Adern entströmen lassen würde. Aber wie gesagt, die Sache kann nicht
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