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Italienische Novellen, Band 3

Italienische Novellen, Band 3

Titel: Italienische Novellen, Band 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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mit ihrem treubrüchigen Ottavio entflohen sei. Aus Abscheu also vor solchen Betrügereien und Verrätereien dieser Welt beschloß sie bei sich, diese zu verlassen und Nonne zu werden, und hätte sich gern in der nämlichen Nacht noch das Haar abscheren lassen, wenn dieser Akt nicht eine öffentliche Feierlichkeit erfordert hätte. Aber der neue Tag, welcher folgte, verscheuchte heiter den schwarzen Verdacht der beiden Liebenden, hemmte ihre Schmerzen und zügelte ihre Entschließungen, da sich in der Stadt das Gerücht von der Täuschung und von der Verheiratung Fernandos verbreitete. Horatio aber, dem ebensowohl damit gedient war, Fernando durch Bellasia zum Eidam zu erhalten, wie durch Florida, ließ sich durch das nächtliche Ereignis nicht irremachen, sondern fügte sich in die Notwendigkeit und bewilligte Ottavio die heißersehnte geliebte Florida. So wurden denn froh beide Ehebündnisse gefeiert, und an Ottavio zeigte das Schicksal, daß es durch unbekannte Pfade den Menschen zum Besitze des Glücks führt, das er nicht durch irdische Klugheit erreichen kann.

Giovanni Francesco Loredano
1607 – 1661

Dercella
    Eudosia, die Tochter des Grafen von Vancastro, war so reich an Gütern der Seele, des Leibes und des Glücks, daß sie kaum das dreizehnte Jahr ihres Alters erreicht hatte, als sie schon die Bewerbungen vieler Männer rege machte, die nach ihrem Besitze trachteten. Und wenn schon der Reichtum ihres Vaters die Habsucht von manchen bewog, sie zur Frau zu begehren, so überwältigte doch die Schönheit ihres Gesichts die Neigungen aller, da sie, von allen Grazien begünstigt, nicht für geringer als diese geachtet ward und nur in der Zahl ihnen nachstand. Das Geschick bescherte diesen Himmel der Liebe dem Evandro, dem edelsten, aber auch dem ältesten von allen Freiern; ein häufiger Unstern dieser Auroren, nur in den Besitz von Tithonen zu kommen. In den Augen der Welt erschien diese Vereinigung ganz unnatürlich, da man glaubte, Evandro stehe dem Grabe weit näher als dem Hochzeitsbette. Er stand schon im dreiundfünfzigsten Lebensjahre, und bei dem Winter, den er in den Runzeln seines Gesichts und in dem Schnee seiner Haare trug, wollte man nicht an eine Vereinigung mit diesem Frühling von Schönheit glauben, der nur erst herbe Früchte und Blüten trug. Eudosia fügte sich leicht in die kalten Umarmungen eines Greises, da ihr Alter höhere Begierden nicht gestattete und alle Vorteile der Ehe in den Reichtum der Kleider, die Mannigfaltigkeit der Kleinode, den Überfluß des Goldes, die Zahl der Dienerschaft und die beständige Aufmerksamkeit ihres Gatten setzte, welcher sehr eifersüchtig üher sie wachte und schon glaubte, er hahe sie verloren, sobald sie ihm einen Augenblick aus dem Gesichte war.
    Dieses beständige Zusammensein verleitete Evandro zu Anstrengungen, welche seine Kräfte, sein Alter überstiegen, und die Hochzeit war daher kaum vorüber, als man schon die Leiche sah. Evandros Tod ward von seiner Gattin mit so lebhaftem Ausdruck verfolgt, daß Tränen, Seufzer und Wehklagen nur die geringsten Beweise für ihren Schmerz waren. Gerne wäre sie mit ihm in das Grab gestiegen, wenn nicht der Gedanke an ihre nahe Entbindung ihr mit der Hoffnung geschmeichelt hätte, ihn wieder ins Leben zu rufen, indem sie einen Knaben zur Welt bringe. Aber dieser Wunsch wurde vereitelt durch die Geburt eines Mägdleins, das noch in den Windeln diejenigen, welche es sahen, zu ausgezeichneten Urteilen über seine Schönheit bewogen.
    Eudosia wollte von einer andern Verbindung nichts hören, geschweige daran denken; sie glaubte, mit Evandro seien alle gestorben, die sie glücklich machen könnten. Sie begrub sich selbst aus freiem Antrieb in ihrem Hause und beschäftigte sich mit der Erziehung ihrer Tochter, aber nach so strengen Grundsätzen, daß sie nahezu dreizehn Jahre alt war und sich nicht rühmen konnte, andere Männer als die Diener ihrer Mutter gesehen zu haben oder von andern gesehen worden zu sein. Sie kam nur zwei- oder dreimal des Jahres aus dem Hause, und zwar so bedeckt und unter so vielen Vorsichtsmaßregeln, als könnte die Luft sie entführen. Ihr Zimmer verstattete kaum der Sonne Zutritt, geschweige den Augen der Sterblichen. Sodann erlaubte ihr auch die beständige Anwesenheit ihrer Mutter keine andere Zerstreuung als die Beschäftigung mit kindischen Spielen.
    Das Geschick, die gewöhnliche Vermittlerin der Liebe, fügte es, daß Eudosia und Dercella, denn so hieß die Tochter,

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