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Italienische Novellen, Band 3

Italienische Novellen, Band 3

Titel: Italienische Novellen, Band 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Schriftzügen haftete, merkte sie nicht, daß sie von ihrer Mutter beobachtet war, die in jedem Augenblick die ganze Tätigkeit ihrer Tochter ihrer Beobachtung und Genehmigung unterworfen wissen wollte.
    Die erste Regung des Unwillens Eudosias ging dahin, ihr den Brief aus der Hand zu reißen, und sie fügte dazu so viele Scheltworte und Drohungen, daß die Tränen und Seufzer nur die geringsten Zeugnisse für die Marter Dercellas waren. Der Verlust dieses Blattes aber, der ihr für ihre Liebe und ihre Hoffnungen Schiffbruch prophezeite, war das größte ihrer Leiden. Eudosia verließ sie in einer Flut von Tränen und zog sich in ein anderes Zimmer zurück, um den Brief zu lesen und auf die Spur zu kommen, wie er in ihre Hände gelangt sei. Kaum bemerkte sie, daß er von Assirdo war, als in ihrem Herzen tausend Gedanken sich zu kreuzen begannen. Jugend und Schönheit bahnten dem Verlangen den Weg, um Besitz zu ergreifen. Es befiel sie Reue, so viele Jahre ihr Leben hingeschleppt zu haben, ohne es zu genießen. Nur ein eitler Schein seien alle Freuden außer denen, welche die eheliche Liebe bereite. Auf der andern Seite ward sie unschlüssig durch die freien Urteile der Welt über einen dreizehn Jahre lang verzögerten Entschluß. Sie hegte Besorgnisse wegen der Verwegenheit ihrer Tochter und des zarten Alters des Assirdo, und überlegte, wenn sie zu einer zweiten Verbindung schreite, nachdem sie so lange die erste beweint, so heiße das nichts anderes, als sich den freien Äußerungen der Öffentlichkeit bloßstellen und vorsätzlich ihre Freiheit aufgeben. Da jedoch in unsern Neigungen diejenige Seite die Oberhand gewinnt, die vorzugsweise von den Sinnen beherrscht wird, entschloß sie sich, lieber jeden andern Verlust zu wagen, als die Liebe Assirdos zu verlieren. Sie ergriff daher die Feder und schrieb im Namen ihrer Tochter also:
    Assirdo!
    Wer dem ersten Angriff weicht, zeigt um so deutlicher die eigene Schwäche und kann dem Verdacht der Feigheit und Nichtswürdigkeit nicht ausweichen, die viel eher Haß als Liebe verdient. Dennoch aber kann, wer wahrhaft liebt, sich nicht verstellen. Die Liebe ist ein Feuer, das, je mehr es unterdrückt wird, mit desto größerer Gewalt wirkt. Ich erkläre Euch daher durch diesen Brief, daß ich Euch von ganzem Herzen liebe, und daß, wäre mir nicht der Zweifel hemmend entgegengetreten, Eure Geringschätzung auf mich zu ziehen, Euer Schreiben mir nicht hätte zuvorkommen sollen. Wenn Ihr also beabsichtigt, unsere Liebe durch die Ehe zur rechtmäßigen zu machen, so erwarte ich Euch diese Nacht an der Gartentür, die Ihr angelehnt finden werdet. Wo nicht, so verbannt Eure Gedanken als tollkühn, und vertreibt ihnen die Hoffnung, mich je zu besitzen!
    Dercella.
    Dieser Brief wurde vorsichtig dem Assirdo in die Hände gespielt, erregte aber, statt ihn zu erfreuen, in seiner Seele eine Verwirrung von Gedanken, die ihm ganz alle Ruhe raubten. Sei es Unerfahrenheit in Angelegenheiten der Liebe, oder daß er sich so ohne Hindernis den Besitz dieses Schatzes von Schönheit angeboten sah, den er um so höher achtete, je größer ihm die Schwierigkeit schien, ihn zu erreichen, – kurz, er gestand sich selbst seine Reue darüber, so weit gegangen zu sein. Während er ohne festen Entschluß sich von tausend Zweifeln bekämpfen ließ, kam zu ihm auf Besuch der Graf von Bellombra, ein Jüngling von hoher Geburt, aber von geringem Vermögen. Gleich beim Eintreten bemerkte er, daß Assirdo irgend etwas Unangenehmes begegnet sei, und er erkundigte sich daher mit außerordentlicher Ängstlichkeit nach der Ursache seines Unmutes. Assirdo, der ebenso leicht zum Unwillen zu bewegen war als dazu, seinen Unwillen zu offenbaren, teilte dem Grafen alle Gründe mit, die sein Gemüt in Unruhe versetzten, und bat ihn, als Freund ihn mit seinem Rat auf den besten Entschluß zu leiten. Der Graf, der sich alsbald überzeugte, daß dies eine Gelegenheit wäre, seine Verhältnisse emporzubringen, und für sich selbst nach dem begehrte, was das Geschick andern anbot, ermahnte Assirdo, den Einladungen eines Mädchens kein Gehör zu schenken, das eher Verachtung als Liebe verdiene, da sie so bereitwillig sich dem Verlangen eines Liebhabers preisgebe.
    »Wenn sie bei Nacht einen Mann einläßt«, sagte er, »von dem sie nur voraussetzt, er werde ihr Gemahl werden wollen, so zeigt dies klar, daß sie auch andern Zutritt gewährt hat.« Auch sei er noch nicht ganz von seinem Unfall wiederhergestellt und würde

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